«Kreidezähne wurden bisher zu wenig beachtet»

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«Volkskrankheit»«Kreidezähne wurden bisher zu wenig beachtet»

Schmerzende Zähne und abbröckelnder Zahnschmelz: Bis zu jedes fünfte Kind leidet in der Schweiz unter den Kreidezähnen. Die Ursache ist unklar.

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Zahnärzte schlagen Alarm: Unter den Zwölfjährigen in Deutschland leiden bereits 30 Prozent unter den sogenannten Kreidezähnen, wie die Deutsche Mundgesundheitsstudie belegt. Die Erkrankung macht die Zähne porös. Je nach Ausprägung kann sie starke Schmerzen verursachen, der Zahnschmelz kann abbröckeln (siehe Box).

Auch in der Schweiz ist die Erkrankung ein Problem. Etwa 7 bis 20 Prozent dürften in der Schweiz betroffen sein, sagt Hubertus van Waes, der Leiter des Schulzahnärztlichen Dienstes der Stadt Zürich. Das Phänomen existiere vermutlich seit Jahrhunderten, werde aber seit den Neunzigerjahren verstärkt wahrgenommen. Für eine effektive Zunahme fehlten die Belege. Allerdings sei der Befall individuell sehr unterschiedlich.

Schwierig, Erkrankung vorzubeugen

«Stärkere Missbildungen sind mit Schmerzen und Abbröckeln des Schmelzes verbunden und müssen dringend behandelt werden», sagt van Waes. Andere Zähne seien nur kosmetisch betroffen. Um Folgeschäden zu vermeiden, hätten sich die üblichen Mundhygienemassnahmen und die Fluoridierung mit Lacken bewährt.

Das Thema Kreidezähne habe in der Vergangenheit leider wenig Beachtung gefunden, sagt Ingo Ziswiler, der Leiter des Schulzahnmedizinischen Dienstes der Stadt Bern. Weil die Ursachen nicht eindeutig geklärt seien, sei es schwierig, der Erkrankung vorzubeugen.

Ursache rund um die Geburt

«Je nach Schweregrad muss die Therapie individuell auf das Kind und den Grad der Erkrankung abgestimmt werden», sagt Ziswiler. «Betroffene Kinder haben oft einen schmerz- und leidvollen Weg hinter sich, weil kleinste chemische, physikalische oder mechanische Reize bereits Schmerzen auslösen.» Aus diesem Grund stehe neben der Therapie der Störung auch ein «adäquates Schmerzmanagement» im Fokus.

Über die Gründe der Erkrankung rätseln die Fachleute. «Es wird weltweit geforscht und heftig spekuliert», sagt van Waes. Bis heute wisse man aber nur, dass der Schaden um die Geburt respektive in den ersten Lebensmonaten und wahrscheinlich von verschiedenen Faktoren ausgelöst werde.

Plastik-These ist «unseriös»

Eine populäre These lautet, dass Weichmacher im Plastik respektive das in vielen Plastikprodukten vorhandene Bisphenol A (BPA) mit der Erkrankung in Zusammenhang stehen. Diese These sei aber spekulativ, sagt van Maes. «Es ist unseriös, Eltern mit diesen Vermutungen zu verunsichern.»

Auch Ingo Ziswiler von der Stadt Bern sagt, es seien keine Studien bekannt, die einen Zusammenhang zwischen Plastik und Kreidezähnen herstellten. «Die Ursachen wurden nicht geklärt», sagt Ziswiler. «Vermutungen und Hypothesen blieben bisher ohne Nachweis.»

Was sind Kreidezähne?

Kreidezähne, in der Fachsprache Molare-Inzisive-Hypermineralisation (MIH)genannt, bezeichnet eine Krankheit, die durch Umweltfaktoren verursacht wird und bei Backenzähnen von Kindern auftritt. Die Erkrankung betrifft nicht nur die Milchzähne, sondern auch die bleibenden Zähne. Der normalerweise harte und schützende Zahnschmelz ist durch die MIH sehr weich und die Zähne werden porös. Ein Teil des Zahns kann abbrechen, manchmal sogar schon während er durch den Kiefer bricht. Symptome sind Hitze- und Kälteempfindlichkeit als auch Sensibilität bei Berührungen. Dies führt häufig zu Karies, da das Putzen des Zahnes dem Betroffenen zu viele Schmerzen bereitet. Jedoch kann der MIH mit Versiegelungen, Füllungen und Kinderkronen entgegengewirkt werden.

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