Krematorien sammeln Zahngold von Toten

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Fragwürdiges GeschäftKrematorien sammeln Zahngold von Toten

In der Asche von kremierten Toten findet sich immer wieder auch Zahngold. Einzelne Schweizer Krematorien verwerten das Gold und verkaufen es weiter. Dies stösst auf Kritik.

von
lüs
Bei einer Kremation bleiben gemäss einer deutschen Studie durchschnittlich 2,2 Gramm Gold zurück.

Bei einer Kremation bleiben gemäss einer deutschen Studie durchschnittlich 2,2 Gramm Gold zurück.

Seit das Krematorium Solothurn eine neue Aschemühle hat, werden Edelmetallrückstande aus der Asche der Verstorbenen automatisch aussortiert. «Hauptsächlich fällt Gold an, aber auch Silber und Platin», sagt Betriebsleiter Michael Streun in einem Beitrag der SRF-Sendung «Kassensturz», die am Dienstagabend ausgestrahlt wird. Die Edelmetalle stammen von Zahngold und Schmuck.

«Das Gold verkaufen wir einem lokalen Goldschmied», erklärt Solothurns Stadtschreiber Hansjörg Boll. Die Verwertung lohne sich: Obwohl die Mühle nur einen Teil des Jahres in Betrieb war, kam Gold im Wert von 35'000 Franken zusammen. Der Erlös wird für die Friedhofs-Finanzierung verwendet. Man habe auch diskutiert, ob man das Geld spenden solle, sich aber dagegen entschieden: «Wir sind der Meinung, dass der Erlös so wieder den Leuten zugute kommt, die diese Dienstleistung in Anspruch nehmen, weil wir auf diese Weise die Gebühren etwas tiefer halten können», so Boll.

Krematorium spendet Erlös aus Zahngold

Auch das Krematorium von Rüti ZH sortiert Zahngold aus. «Bei der Asche-Aufbereitung bleiben gewisse Edelmetall-Rückstande technisch bedingt in der Mühle zurück», sagt Peter Luginbühl, Präsident der Stiftung Krematorium Rüti. «Bei der periodischen Reinigung werden diese Rückstände aussortiert.» Im Gegensatz zu Solothurn wird der Erlös von jährlich 5000 bis 7000 Franken jedoch gespendet: Er kommt Organisationen zugute, die sich um Todkranke kümmern.

Technisch wären auch zahlreiche andere Schweizer Krematorien in der Lage, Edelmetall auszusortieren. Sie verzichten aber aus Pietät oder aus juristischen Gründen darauf, wie eine Umfrage des «Kassensturz» ergeben hat.

Bernhard Meister, Betriebsleiter des Krematoriums Basel, sagt, man habe intern auch schon über die Verwertung von Edelmetallen diskutiert. «Basel-Stadt ist aber der Meinung, dass das Edelmetall den Verstorbenen gehört und deshalb tasten wir das Gold nicht an.» Die technische Vorrichtung zur Aussortierung von Edelmetallen sei deshalb deaktiviert worden, sie würden in der Urne landen.

Beim Verband der Schweizer Krematorien spricht man von einem «sensiblen Thema». Man sei derzeit daran, einen entsprechenden Ethik-Kodex auszuarbeiten, sagt Verbandssekretär Rolf Steinmann. «Wir haben die Haltung, dass Edelmetall beim Verstorbenen bleibt. Auch nach der Einäscherung.»

«Zahngold gehört zur Erbmasse»

Das Vorgehen des Krematoriums Solothurn stösst auch bei Rechtsexperten auf Kritik. Alexandra Rumo-Jungo, Professorin für Zivilrecht an der Universität Freiburg, sagt: «Der Entscheid, was mit der Asche und demzufolge auch mit dem Zahngold geschieht, obliegt den Angehörigen.» Sie würden davon ausgehen, dass alles, was kremiert wird, auch beigesetzt werde. Wenn ein Krematorium Gold aussortiere, müsse es die Angehörigen informieren. «Am besten tut man dies schriftlich im Vertrag mit dem Krematorium oder dem Bestatter.» Sobald das Gold aus der Asche getrennt werde, stelle es ein Vermögen dar und gehöre zur Erbmasse. «Angehörige könnten also auch die Herausgabe des Metalls verlangen», so Rumo-Jungo. Beim Krematorium Solothurn heisst es, man wolle zwar weiterhin Edelmetalle aussortieren, Stadtschreiber Boll räumt aber ein: «Wir haben bei der Einführung dieser neuen Anlage nicht an die Information der Angehörigen gedacht.» Das wolle man nun über eine entsprechende Anpassung des Friedhofsreglements nachholen.

Gold im Wert von knapp 4 Millionen Franken

Durchschnittlich fallen pro Kremation 2,2 Gramm Gold an. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des deutschen Bestatter-Verbands. Genaue Zahlen aus der Schweiz gibt es nicht. Umgerechnet auf die 53'000 Kremationen, die in der Schweiz jährlich durchgeführt werden, würde dies bedeuten, dass jährlich Gold im Wert von 3,7 Millionen Franken in den Urnen landet, falls es nicht aussortiert wird. Anders als in der Schweiz ist die Verwertung von Zahngold in deutschen Krematorien bereits weit verbreitet.

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