«Kei Hirni»Er wurde wegen Post zu Juso-Nacktprotest gebüsst
Für einen Online-Kommentar zur BH-Verbrennungsaktion der Juso wurde gegen Kurt Schläfli (71) Strafbefehl erlassen. Dagegen wehrt er sich nun vor Gericht.
Kurt Schläfli spricht über seinen Facebook-Kommentar und den Strafbefehl.
Die Aktion sorgte vor einem Jahr für viel Aufsehen: Um für den Women's March in Zürich zu werben, postete die Juso einen Flyer auf Facebook, der Parteichefin Tamara Funiciello und vier Mitstreiterinnen mit nacktem Oberkörper beim Verbrennen ihrer BHs zeigte – ganz nach dem Vorbild der Frauenbewegungen in den 70er-Jahren. Die Juso selbst bezeichnete das Foto als «gezielte Provokation».
Danach ernteten die Jungpolitikerinnen in den sozialen Medien unzählige gehässige, spottende und beleidigende Kommentare. Auch Kurt Schläfli aus Luterbach konnte sich eine Bemerkung nicht verkneifen. Am 17. März 2017 kommentierte er das Oben-ohne-Foto auf seiner Facebook-Seite mit den folgenden Worten: «Geili Chatze [zwei weinende Emojis], wenn si kei Hirni hei müese si haut Bübi zeige! [drei lachende Emojis]».
200 Franken Busse wegen übler Nachrede
Das liess sich Tamara Funiciello nicht gefallen. Zusammen mit dem Verein Netzcourage, der von der ehemaligen Zuger Kantonsrätin Jolanda Spiess-Hegglin ins Leben gerufen wurde, erstattete sie im vergangenen Mai Anzeige gegen Schläfli. Mit Erfolg: Im September flatterte ein Strafbefehl der Solothurner Staatsanwaltschaft ins Haus des Kommentar-Schreibers. Tatbestand: Üble Nachrede.
Mit seinem Kommentar unterstelle er Funiciello, «dass sie minderer Intelligenz sei und deshalb nur mit der Entblössung ihres Körpers Aufmerksamkeit auf der Politebene erheischen könne», heisst es in der Begründung. Damit verdächtige er die Geschädigte der Tatsachen, «die geeignet sind, ihren Ruf zu schädigen».
Im Strafbefehl wird Schläfli deshalb eine Busse von 200 Franken (bei Nichtbezahlung ersatzweise zwei Tage Freiheitsstrafe) auferlegt, zuzüglich den Verfahrenskosten von 250 Franken sowie einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu je 30 Franken, bedingt aufgeschoben bei einer Probezeit von zwei Jahren.
«Juso hat solche Reaktionen provoziert»
20 Minuten trifft Ex-SVP-Politiker Schläfli im Restaurant Martinshof in Zuchwil. Vor sich auf dem Tisch hat er etliche Verfügungen, Einsprachen und Anträge ausgebreitet, die sich seit dem Eingang der Strafanzeige zwischen der Staatsanwaltschaft und seinem Anwalt angesammelt haben. Ganze 75 Seiten umfasse der Aktenstapel mittlerweile, sagt der 71-Jährige und schüttelt konsterniert den Kopf. «Und das wegen einer solchen Bagatelle.»
Mit seinem «ironischen Spruch», wie Schläfli seinen Facebook-Kommentar betitelt, habe er lediglich «auf das tiefe Niveau solcher politischer Aktionen» hinweisen wollen. Auch habe er ihn nicht auf Funiciello persönlich bezogen, sondern «verallgemeinert geschrieben». Dass deswegen gegen ihn ein Strafbefehl erlassen werde, daran habe er im Traum nicht gedacht. «Ich fühle mich von der Staatsanwaltschaft behandelt wie ein Pädophiler oder ein Vergewaltiger», klagt Schläfli.
Ebenso wenig könne er nachvollziehen, warum er für einen provokanten Kommentar zu einer politischen Aktion, die von den Urheberinnen selbst als gezielte Provokation verstanden wurde, bestraft werden soll. «Mit solchen Reaktionen haben die Juso-Frauen doch gerechnet und diese sogar heraufbeschwört», so Schläfli.
«Primitives und sexistisches Niveau»
Netzcourage-Gründerin Jolanda Spiess-Hegglin widerspricht: Jungpolitikerinnen sollen mit ihren Aktionen gerade provozieren. «Sie deswegen auf einem solch primitiven und sexistischen Niveau zu beleidigen, wie es Schläfli getan hat, geht einfach nicht», sagt Spiess. Genau das hätten der Beschuldigte und sein Anwalt aber nicht verstanden. «Sie stellen sich noch immer auf den Standpunkt, dass man eine solche Bemerkung wohl noch äussern dürfe. Aber genau das darf man eben nicht», stellt sie klar. Bis heute habe sich Schläfli für seine «Übergriffigkeit durch Worte» nicht entschuldigt.
Dem Verein Netzcourage, der die Vollmacht für die Anzeigen von Funiciello erhalten hat, gehe es nicht um möglichst viele Verurteilungen, betont Spiess. «Wir wollen, dass bei den Beschuldigten ein Umdenken stattfindet und sie im Internet nicht mehr gegen andere hetzen.» Gerade junge linke Frauen würden immer wieder Opfer von Hass-Kommentaren im Netz. «Umso wichtiger ist es, diese zu schützen, damit sie nicht mundtot gemacht werden», so Spiess.
«Internet ist kein rechtsfreier Raum»
Tamara Funiciello will sich zum konkreten Fall nicht äussern. Ihre Partei könne man sehr wohl für ihre Politik kritisieren, räumt die Präsidentin der Juso Schweiz ein. «Aber dann muss es auf einer sachlichen Ebene geschehen.» Menschen auf Social Media zu beschimpfen, gehe nicht an und müsse juristisch verfolgt werden. «Das Internet ist nun mal kein rechtsfreier Raum, in dem man schreiben kann, was man will», stellt Funiciello klar. Verbale Angriffe auf junge Frauen im Netz müssten unbedingt abnehmen, fordert sie.
Kurt Schläfli sagt, er habe bereits mit anderen Leuten gesprochen, die ebenfalls von Tamara Funiciello angezeigt wurden. «Die meisten bezahlen die Busse, um sich den juristischen Aufwand zu ersparen.» Nicht so Schläfli: Gegen den Strafbefehl hat er mit seinem Anwalt Einsprache erhoben, am Freitag findet die Verhandlung im Amtsgericht Solothurn statt. Er wolle damit «ein Zeichen setzen», sagt Schläfli. «Es kann doch nicht sein, dass man für jeden Seich verurteilt werden kann.»
40 Personen angezeigt
Kurt Schläfli ist längst nicht der Einzige, der von Tamara Funiciello und Jolanda Spiess-Hegglin wegen seines Kommentars zur Juso-Aktion angezeigt wurde. «Wir haben gegen rund 40 Personen Anzeige erstattet», sagt Netzcourage-Geschäftsführerin Jolanda Spiess-Hegglin auf Anfrage. Deren 25 hätten einen Strafbefehl erhalten. Fünf Anzeigen seien abgewiesen worden und in zehn Fällen sei es zu einem Vergleich gekommen.
Letzteres strebe Netzcourage stets an. Komme es zu einem Vergleich, so finde bei den Angezeigten erfahrungsgemäss ein Umdenken statt und sie würden im Internet nicht weiter gegen andere hetzen, erklärt Spiess-Hegglin. «Das ist unser oberstes Ziel. Es geht uns nicht um die Verurteilung möglichst vieler Personen, sondern darum, aufzuzeigen, dass es bei Online-Kommentaren Grenzen gibt.»