Immer auf EmpfangMachen Handys Schüler verhaltensgestört?
Sind Handys schuld daran, dass Schüler zunehmend unkonzentriert und asozial sind? Schweizer Forscher wollen herausfinden, welche Auswirkungen Mobilfunkstrahlen haben.

Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Kinder und Jugendliche mit einem intensiven Handynutzungsverhalten ein asoziales oder aggressives Verhalten an den Tag legen.
Mit Freunden «smslen» und telefonieren, zwischendurch E-Mails und Facebook checken: Spätestens seitdem Teenager von Flatrate-Angeboten profitieren können, gehören sie zu den intensivsten Handynutzern.
439 Schüler aus der 7. und 8. Klasse aus der Innerschweiz haben seit Juni 2012 an der HERMES-Studie (Health Effects Related to Mobile Phone use in Adolescents) teilgenommen. Daraus geht hervor: Die Studienteilnehmenden telefonieren im Durchschnitt rund zwei Minuten mit ihrem Handy, versenden 20 Kurznachrichten und sind rund 40 Minuten pro Tag mit ihrem Handy online. Rund 20 Prozent geben an, dass sie mindestens einmal wöchentlich durch einen Handyanruf oder eine Nachricht in der Nacht geweckt werden, berichtet die Zeitschrift «Bildung Schweiz».
Doch was bedeutet das für die Jugendlichen? Wird doch vermutet, dass Kinder und Jugendliche besonders empfindlich auf Handystrahlung reagieren könnten, da ihre Gehirnentwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Die Strahlung soll aufgrund des kleineren Kopfs in tiefere Hirnregionen als bei Erwachsenen eindringen. «Wir wollen herausfinden, ob die Handystrahlung das Verhalten, die Gesundheit oder die Lernfähigkeit der Jugendlichen beeinträchtigt», sagt Studienleiter Martin Röösli vom Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut in Basel.
Asozial, aggressiv und depressiv
Verschiedene ausländische Studien haben nämlich gezeigt, dass Kinder und Jugendliche mit einem intensiven Handynutzungsverhalten ein asoziales oder aggressives Verhalten an den Tag legen oder auch depressiv werden können. In einer deutschen Studie mit 1498 Kindern und 1524 Jugendlichen zeigte sich, dass mit zunehmender Strahlenbelastung mehr Verhaltensprobleme auftreten. Sieben Prozent der Kinder und fünf Prozent der Jugendlichen zeigten ein abnormales Verhalten.
Eine weitere Studie aus Dänemark mit 13'000 Kindern zeigte, dass Kinder im Alter von sieben Jahren häufiger Verhaltensprobleme hatten, wenn ihre Mutter während der Schwangerschaft ein Handy benutzten. Noch ausgeprägter war der Zusammenhang, wenn die Kinder zusätzlich selber ein Handy hatten. Röösli ist allerdings skeptisch: «Aus diesen Studien wird nicht klar, ob die Handystrahlung Verhaltensprobleme verursachen oder Jugendliche mit Verhaltensproblemen häufiger telefonieren.»
WLAN-Verbot an Schulen?
Die HERMES-Daten werden auch deshalb mit Spannung erwartet, weil zurzeit die Einführung von WLAN in Schulen heiss diskutiert wird. Die Baselbieter IG Lebensgrundlagen beispielsweise warnt vor den schädlichen Auswirkungen der Dauerstrahlung im Schulzimmer. Der Schweizer Lehrerverband empfiehlt, im Zweifelsfall auf WLAN in den Schulen zu verzichten und auf Festverdrahtung zu setzen. «Allerdings ist diese Methode nicht flexibel und ohne elektronische Lehrmittel geht heute gar nichts mehr», sagt Präsident Beat Zemp.
In anderen europäischen Städten wurde das WLAN in Schulen bereits abgeschaltet, zuletzt anfangs März im mittelitalienischen Civitanova Marche. Der für das öffentliche Bildungswesen zuständige Stadtrat höchstpersönlich hat das WLAN-Signal der Primarschule abgehängt und das neue Kabelsystem eingeschaltet. Das Elternkomitee der betroffenen Schule hatte gefordert, das WLAN zu eliminieren.
Das wünscht sich auch der Präsident der schweizerischen Interessengemeinschaft Elektrosmog Gigaherz Hans-U. Jakob: «Bei uns haben sich Eltern betroffener Kinder gemeldet, die wegen dem WLAN nicht nur nervös, sondern auch regelrecht bösartig geworden sind.» Gerade hypersensible Kinder landeten dann beim Kinderarzt, wo ihnen Ritalin verschrieben würde.
Allerdings hat die HERMES-Studie gezeigt, dass die Strahlenbelastung von Schülern in Schulhäusern mit WLAN im Vergleich zu Schülern aus Schulhäusern ohne WLAN fast gleich gross ist. Der Grund: Die Jugendlichen sind nur zu einem geringen Teil in der Schule. Deshalb fällt laut Röösli diese Zusatzbelastung nicht so stark ins Gewicht, wenn man ihre gesamte Strahlenbelastung während des ganzen Tages erhebt. Für die persönliche Belastung mache das WLAN deshalb nur noch einen sehr geringen Anteil aus. Der grösste Teil stamme vom Handy und von Mobilfunkbasisstationen.
Teilnehmer gesucht
Im Rahmen eines EU-Projekts zu den gesundheitlichen Auswirkungen der Mobilfunkstrahlung auf Jugendliche werden die Untersuchungen der HERMES-Studie dieses und nächstes Jahr weitergeführt. In die Studien eingeschlossen werden Jugendliche im 7. und 8. Schuljahr aus allen Schulstufen aus den Kantonen BL, BS, LU, NW, OW, SZ, UR und Zug. Das Studienteam sucht Lehrpersonen, die bereit sind, sich mit ihrer Klasse an der Studie zu beteiligen.
Kontakt: Prof. Dr. Martin Röösli, martin.roosli@unibas.ch