Kein Bock auf ZahlenMathematik bereitet Maturanden Kopfweh
Die Hälfte aller Berner Maturanden haben in Mathe ungenügende Noten, 20 Prozent gar Noten unter einer Drei. Das birgt Gefahren, so Experten.

«Gewisse Schüler lassen Mathematik als Fach sausen und kompensieren es mit guten Noten in anderen Fächern», sagt Aldo Dalla Piazza, Präsident der Schweizer Gymnasialrektorenkonferenz. Dieses Kompensationssystem müsse korrigiert werden, fordert er. Etwa indem strengere Kompensationsregeln gelten würden. Aber mit Mass, denn: «Es gibt einseitig begabte Leute. Ich sehe nicht ein, warum jemand die Matura nicht bestehen soll, nur weil die Person in einem Fach schlecht ist.»
Das Fach Mathematik erfreute sich noch nie grosser Beliebtheit. Das schlägt sich auch in den Noten nieder. Fast die Hälfte aller Gymnasiasten im Kanton Bern hat in den letzten beiden Jahren eine ungenügende Maturanote in Mathematik geschrieben. Rund 20 Prozent hatten gar eine Note unter einer Drei, berichtet der «Bund». Jürg Schmid, Präsident der Maturitätskommission, spricht von einer «Mathe-Misere.»
Nicht gerade erfreulich, aber doch etwas besser sieht es in Luzern aus. Dort hatten 2014 22 Prozent eine ungenügende Mathematiknote. Acht Prozent hatten die Note Drei oder tiefer. Im Kanton Basel-Stadt heisst es: «Mathematik war schon immer ein Fach, bei welchem an den Maturitätsprüfungen grosse Leistungsunterschiede zu beobachten waren. Im Kanton Basel-Stadt hat sich die Situation in den letzten Jahren diesbezüglich nicht merklich verändert.» Wie es um die Zürcher Maturanden steht, war nicht in Erfahrung zu bringen; der Kanton erhebt die Daten nicht. Bereits 2008 hat eine Studie gezeigt, dass 41.4 Prozent aller Maturanden an der schriftlichen Mathematikprüfung eine ungenügende Note erzielt haben. Bei der Matura-Gesamtnote in Mathematik, in die auch die Vornoten und die mündlichen Prüfungsnoten einfliessen, waren es immer noch 24.4 Prozent.
Schlechte Noten einfach kompensieren
Aldo Dalla Piazza, Präsident der Schweizer Gymnasialrektorenkonferenz und selber Mathematiklehrer, kennt die Problematik. Grund dafür sei unter anderem die Maturitätsverordnung, die Kompensationsmöglichkeiten zulässt: «Gewisse Schüler lassen Mathematik als Fach sausen und kompensieren es mit guten Noten in anderen Fächern.» Wer also die Note Drei einfährt, kann dies mit zwei Fünfern wiedergutmachen.
Dieses Kompensationssystem müsse korrigiert werden, fordert Dalla Piazza. Etwa, indem strengere Kompensationsregeln gelten würden. Aber mit Mass, denn: «Es gibt einseitig begabte Leute. Ich sehe nicht ein, warum jemand die Matura nicht bestehen soll, nur weil die Person in einem Fach schlecht ist.»
Dalla Piazza appelliert auch an die Mathematiklehrer: «Mathematiklehrer sind ein spezieller Typ Mensch, die akzeptieren müssen, dass nicht alle gleich ticken wie sie.» Es müsse ihnen gelingen, die Schüler richtig abzuholen und auf sie einzugehen.
Mit Spezialkursen gegen Mathefrust
In Luzern hat man schon 2009 erkannt, dass Massnahmen gegen die schlechten Mathenoten ergriffen werden müssen. So wurde für Schüler ein spezielles Mathematik-Trainingsprogramm eingeführt, das sie in den Ferien freiwillig erarbeiten können. Denn viele Schüler würden in der Pubertät den Anschluss verlieren, sagt Aldo Magno von der Dienststelle Gymnasialbildung Luzern. Ob diese Massnahme gefruchtet habe, müsse allerdings noch evaluiert werden.
Neben der Wissensvermittlung sei es aber auch wichtig, die Bedeutsamkeit des Fachs zu betonen und den Schülern die Freude daran zu vermitteln. Dafür werde man auch dieses Jahr wieder eine Mathematikausstellung an einer Kantonsschule organisieren. «Mathematik braucht ein besseres Image. Dieses erzielt man nicht durch einen grösseren Notendruck», sagt Magno. Auch die Eltern seien dazu angehalten sich nicht ständig negativ über das Fach zu äussern: «Es verwundert nicht, dass im asiatischen Raum, wo Mathematik einen hohen Stellenwert geniesst, die Schüler auch eine bessere Leistung erzielen.»
Hier sieht auch Oswald Inglin, Präsident der kantonalen Maturitätskommission Basel, Handlungsbedarf: «Bereits in der Primarschule muss den Schülern die Freude an den Zahlen vermittelt werden, damit es später nicht zu einem Schock kommt.» In den Gymnasien seien Mathematik und naturwissenschaftliche Fächer ins Hintertreffen geraten – zu Gunsten der Geisteswissenschaften. «Wollen wir unsere Ingenieure in Zukunft nicht nur aus Indien oder China holen, dann müssen wir diese Entwicklung im Auge behalten», so Inglin.