AlarmierendMehr Frauen und Teenies aus der Schweiz im Jihad
Der Bund prüft verschiedene Massnahmen um die wachsende Zahl Jihad-Reisender aus der Schweiz in den Griff zu bekommen. Unter ihnen sind vermehrt Frauen und Minderjährige.

Ein Ausschnitt aus einem Video, das Mitglieder der Al-Khansaa-Brigade zeigen soll. Diese IS-Einheit besteht nur aus Frauen.
Die Zahl jihadistisch motivierter Reisen nimmt weiter zu. Das schreibt die Taskforce TETRA in ihrem jüngsten Bericht. Der Bundesrat fasst nun Ausreiseverbote ins Auge. Auch der Austausch von Flugpassagierdaten ist ein Thema. In der Taskforce TETRA koordinieren die Schweizer Behörden Massnahmen gegen Terrorismus und Jihad-Reisen. Aktuell werden rund 70 Fälle bearbeitet, in gut 20 Fällen sind Strafverfahren eröffnet worden.
Bis im Oktober zählte der Nachrichtendienst 40 bestätigte Fälle von jihadistisch motivierten Reisen. Laut dem am Montag veröffentlichten Bericht reisen vermehrt nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Minderjährige in Konfliktgebiete.
Verhinderung der Ausreise
Ist noch kein Strafverfahren eröffnet worden, kann eine verdächtige Person nicht an der Ausreise gehindert werden. Die Taskforce TETRA empfiehlt, das zu ändern. Sie erachte die Einführung präventiver polizeilicher Massnahmen zur Verhinderung einer Ausreise als sinnvoll, schreibt sie im Bericht. Ein Ausreiseverbot könne als ultima Ratio ein wirksames Mittel sein.
Der Bundesrat hatte schon vor rund einem Jahr in seiner Antwort auf eine Motion geschrieben, er lasse die Frage abklären. Nun hat er das Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) beauftragt, Opportunität und mögliche Umsetzungsvarianten zu prüfen.
Verdeckte Registrierung
Wichtig ist in den Augen der Taskforce ferner die Ausschreibung von verdächtigen Personen zur verdeckten Registrierung im Schengener Informationssystem. Damit liessen sich Reisebewegungen und Aufenthaltsorte ermitteln, heisst es im Bericht. Allerdings verfügen nicht alle Kantone über die gesetzlichen Grundlagen dafür.
Für den Nachrichtendienst ist die Grundlage im neuen Gesetz vorgesehen. Der Bundesrat hat das EJPD beauftragt zu prüfen, ob auch das Bundesamt für Polizei (fedpol) eine Befugnis erhalten soll.
Austausch von Passagierdaten
Umstritten ist, in welchem Ausmass Flugpassagierdaten verwendet und ausgetauscht werden sollen. Das Europäische Parlament will die seit 2011 blockierte Richtlinie dazu bis Ende Jahr behandeln. Grund für die Blockade waren Datenschutzbedenken. Die Schweizer Behörden analysierten derzeit die Vor- und Nachteile, heisst es im Bericht.
Ein erster Schritt ist mit der Teilrevision des Luftfahrtgesetzes bereits vorgesehen: Die Luftverkehrsunternehmen sollen verpflichtet werden, den zuständigen Strafverfolgungsorganen auf Verlangen Passagierdaten herauszugeben. Ob der Datenzugang in Zukunft automatisiert erfolgen solle, sei zu prüfen, schreibt TETRA. Heute erhalten die Grenzkontrollbehörden von Fluggesellschaften Passagierdaten für bestimmte Abflugorte.
Radikalisierung und Deradikalisierung
Zur Prävention von Radikalisierung empfiehlt die Taskforce, auf bestehende lokale Strukturen zur Gewalt- und Extremismusprävention zurückzugreifen, diese zu verstärken und den Erfahrungsaustausch zu fördern. Der Aufbau eines spezifischen Programms zur Prävention von Jihadismus wäre nicht zielführend, heisst es im Bericht.
Handlungsbedarf sieht die Taskforce dagegen bei der Deradikalisierung von jihadistischen Rückkehrern. Dazu seien gezielte Angebote erforderlich. Der Delegierte des Sicherheitsverbundes Schweiz soll bis Mitte 2016 Empfehlungen an die Kantone zu bewährten Methoden und Verfahren erarbeiten.
Keine Hotline für Meldungen
Geprüft hatte die Taskforce auch, ob eine Notfallnummer zur Meldung möglicher Gewaltextremisten eingerichtet werden soll. Sie kam zum Schluss, dass dies zu Doppelspurigkeiten führen würde, da verdächtige Wahrnehmungen bei jedem Polizeiposten gemeldet werden können. Der Bundesrat hat deshalb entschieden, auf eine Hotline zu verzichten.
Weiter vorantreiben will die Taskforce jedoch die Zusammenarbeit mit Anbietern und Betreibern von Social-Media-Plattformen. Das Ziel ist es, gegen Terrorismusverherrlichung und Gewaltpropaganda im Netz vorzugehen. Die ersten Kontakte seien konstruktiv verlaufen, heisst es im Bericht.
Nationaler Führungsstab bei Anschlag
Sollte es zu einem Terroranschlag in der Schweiz kommen, würde der nationale Führungsstab Polizei einberufen, der laut dem Bericht seit Anfang 2015 besteht. Der Stab unter Leitung der Konferenz der kantonalen PolizeikommandantInnen der Schweiz (KKPKS) würde die kantonale Einsatzführung unterstützen und die nationale Zusammenarbeit koordinieren.
Die terroristische Bedrohung der Schweiz hat sich laut TETRA im letzten halben Jahr leicht erhöht. Die Schweiz werde in Einzelfällen im Zusammenhang mit terroristischen Drohungen erwähnt. So habe ein französischsprachiger Anhänger der Terrororganisation «Islamischer Staat» die Schweiz als mögliches Zielland genannt, allerdings zusammen mit weiteren Staaten. (slw/sda)