Militärdienst für Dicke und leicht Behinderte?

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Zu wenig SoldatenMilitärdienst für Dicke und leicht Behinderte?

Wer zu dick ist oder körperliche Einschränkungen hat, darf nicht ins Militär. Um den Armeebestand zu erhöhen, soll sich das ändern.

A. Schawalder/ D. Pomper
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A. Schawalder/ D. Pomper
Die Armee schrumpft: Zählte sie 2008 noch über 200'000 Soldaten, sind es heute noch rund 167'000. Grund dafür ist einerseits der Zivildienst, der immer beliebter wird. Andererseits taugen viele junge Leute nicht mehr fürs Militär: 2014 stellten sich 26,5 Prozent aller Stellungspflichtigen als untauglich für den Dienst im Militär oder im Zivilschutz heraus.
Jetzt will die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats den Soldatenmangel bekämpfen. In einem Postulat schlägt sie dem Bundesrat Massnahmen vor, mit denen die Attraktivität der Armee gesteigert werden soll. So sollen neu Personen, die gewillt sind, Militärdienst zu leisten, aber «leichte Einschränkungen» haben, eingesetzt werden.
2012 wurden 672 Stellungspflichtige für untauglich erklärt, weil sie einen zu hohen BMI hatten. Ab einem BMI von 30 wird ein Mann nur noch rekrutiert, wenn er eine gute körperliche Leistungsfähigkeit aufweist. Ab einem BMI von über 40 gilt ein Stellungspflichtiger gemäss Reglement zwingend als militärisch untauglich.
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Die Armee schrumpft: Zählte sie 2008 noch über 200'000 Soldaten, sind es heute noch rund 167'000. Grund dafür ist einerseits der Zivildienst, der immer beliebter wird. Andererseits taugen viele junge Leute nicht mehr fürs Militär: 2014 stellten sich 26,5 Prozent aller Stellungspflichtigen als untauglich für den Dienst im Militär oder im Zivilschutz heraus.

Die Armee schrumpft: Zählte sie 2008 noch über 200'000 Soldaten, sind es heute noch rund 167'000. Grund dafür ist einerseits der Zivildienst, der immer beliebter wird: 2016 wollten über 6000 Personen Zivis werden. Andererseits taugen viele junge Leute nicht mehr fürs Militär: 2014 stellten sich 26,5 Prozent aller Stellungspflichtigen als untauglich für den Dienst im Militär oder im Zivilschutz heraus – wobei die Obwaldner die Tauglichsten (80%) und die Zürcher die Untauglichsten (49%) sind.

Jetzt will die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SIK) den Soldatenmangel bekämpfen. In einem Postulat schlägt sie dem Bundesrat Massnahmen vor, mit denen die Attraktivität der Armee gesteigert werden soll. So sollen neu Personen, die gewillt sind, Militärdienst zu leisten, aber «leichte Einschränkungen» haben, eingesetzt werden, etwa auf einem Ohr Gehörlose oder Personen mit leichten körperlichen Einschränkungen. Der Dienstleistende soll die Anforderung der «konkreten Aufgabe» erfüllen müssen und nicht die «generelle Tauglichkeit».

Grünes Licht für übergewichtige IT-Spezialisten

«Nehmen wir einen übergewichtigen IT-Spezialisten. Nur weil er die körperlichen Leistungen nicht erbringen kann, wird er für untauglich erklärt. Dabei braucht er für die Cyberabwehr keine Waffe, und körperliche Fitness ist nebensächlich», sagt Sicherheitspolitiker Marcel Dobler (FDP). 2012 wurden 672 Stellungspflichtige für untauglich erklärt, weil sie einen zu hohen BMI hatten. Ab einem BMI von 30 wird ein Mann nur noch rekrutiert, wenn er eine gute körperliche Leistungsfähigkeit aufweist. Ab einem BMI von über 40 gilt ein Stellungspflichtiger gemäss Reglement zwingend als militärisch untauglich.

«Es wäre gut, wenn man auch stark übergewichtigen Menschen eine Chance gäbe, sich im Militär zu bewähren», sagt Heinrich von Grünigen, Präsident der Adipositas-Stiftung. Gerade junge Übergewichtige hätten genügend Energie und Power, um einen Job bei der Armee zu meistern.

«Angst, die Militärversicherung zu belasten»

«Nicht nur Übergewichtige, auch beispielsweise ein Arzt mit einem tauben Ohr sei bei seiner Arbeit nicht eingeschränkt», sagt FDP-Nationalrat Marcel Dobler. Gerade in der Informatik und im Medizinbereich fehlte qualifiziertes Personal. Hier gelte es, das brachliegende Potenzial auszunutzen: «Eine motivierte, aber untaugliche Person kann unter Umständen bessere Arbeit leisten als eine tauglich unmotivierte», sagt Dobler.

Kommissionskollege Jakob Büchler (CVP) erinnert sich an einen jungen Mann, der aufgrund eines früheren Kreuzbandrisses am Knie abgelehnt wurde. Das Risiko, dass er sich erneut verletzen würde, sei zu gross. «Aus Angst, die Militärversicherung zusätzlich zu belasten, werden solche Leute abgelehnt. Das ist doch ein Witz», sagt Büchler.

Auch Werner Salzmann, Vizepräsident der SIK und Oberst bei der Schweizer Armee, findet die Praxis für Untauglichkeitserklärungen zu streng: «Viele Personen werden wegen kleiner Probleme vom Dienst befreit. Für diese Leute müssen wir einfach eine passende Funktion finden.» Von einem «Schritt in die richtige Richtung» spricht auch Stefan Hohlenstein, Präsident der Schweizer Offiziersgesellschaft.

Das VBS will zum Postulat keine Stellung nehmen, da es im Rat noch nicht behandelt wurde.

Untauglich und trotzdem im Dienst

Seit 2013 können Interessierte, die von der Armee als untauglich erklärt wurden, schriftlich Einsprache erheben. Wird der Antrag bewilligt, durchläuft die Person nicht eine normale RS, sondern absolviert nur eine Grundausbildung und ist danach in der Verwaltung oder Logistik tätig. 2015 wurden rund 100 solche Anträge bewilligt, weniger als zehn Personen blieben gemäss dem VBS untauglich.

Hintergrund ist ein Strassburger Urteil von 2010 zugunsten eines diabeteskranken Schweizers, der sich mit allen juristischen Mitteln für sein Dienstrechte eingesetzt hatte. Teilinvalide oder psychisch Belastete sollten fortan nicht mehr zwingend Wehrpflichtersatz bezahlen müssen.

Diensttauglichkeit

Militärdiensttauglich ist aus medizinischer Sicht, wer körperlich, intellektuell und psychisch den Anforderungen des Militärdienstes genügt und bei der Erfüllung dieser Anforderungen weder die eigene Gesundheit noch diejenige Dritter gefährdet. Für die medizinische Beurteilung der Militärdiensttauglichkeit ist der Militärärztliche Dienst der Sanität mit seinen medizinischen Untersuchungskommissionen (UC) zuständig.

Quelle: VBS

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