Die Mehrheit will den Atomausstieg

Aktualisiert

Tamedia-AbstimmungsumfrageDie Mehrheit will den Atomausstieg

Weiterhin stehen 56 Prozent der Stimmbürger hinter der Initiative der Grünen. Die Gegner warnen vor einem Chaos.

J. Büchi
von
J. Büchi

Bei Volksinitiativen kennt die Sympathiekurve in der Regel nur eine Richtung: nach unten. Während ein knackiger Titel oder ein emotionales Thema zu Beginn zu überzeugen vermag, gewinnen die Gegner im Laufe des Abstimmungskampfs in der Regel die Oberhand: zu teuer, gefährdet Arbeitsplätze, nicht umsetzbar, lauten die klassischen Killerargumente.

Ein anderes Bild zeigt sich bei der Atomausstiegsinitiative: Die Zustimmung ist seit Mitte Oktober ungebrochen, wie die zweite Welle der Tamedia-Abstimmungsumfrage zeigt: 56 Prozent wollen Ja oder eher Ja stimmen. Damit ist das Pro-Lager gegenüber der ersten Befragung sogar um einen Prozentpunkt gewachsen, wobei die Veränderung allerdings im Bereich der statistischen Unschärfe liegt.

Atomenergie als Spezialfall

Stabil geblieben ist auch das Lager der Gegner: 43 Prozent tendieren zu einem Nein, nur ein Prozent der über 15'000 Befragten hat noch keine Angaben gemacht. Die Resultate überraschen auch den Politologen Thomas Milic vom Forschungsinstitut Sotomo. Vor allem bei linken Initiativen bröckle die Zustimmung sonst gewöhnlich rasch. «Die Atomenergie ist da möglicherweise ein Spezialfall, weil viele Leute bereits eine relativ klare Haltung dazu haben und eine gewisse Skepsis weit verbreitet ist.»

Neben den linken Stimmbürgern sind auch die Wähler von GLP, BDP und CVP mehrheitlich für die Initiative – trotz Nein-Parole der beiden Letzteren. «Es ist klar: Die Abstimmung wird in der Mitte entschieden», so Milic. Der Ausgang werde davon abhängen, ob es der CVP- und BDP-Spitze gelingt, «ihre Schäfchen auf Linie zu bringen».

BDP-Präsident Martin Landolt sagt: «Unsere Basis will ganz klar aus der Atomenergie aussteigen.» Es sei aber wichtig zu sehen, dass Ende November nur über das Wann und Wie abgestimmt werde. Für die BDP sei klar, dass die vom Parlament beschlossene Energiestrategie 2050 die bessere Lösung sei. «Sie sorgt für einen geordneten Ausstieg, während mit der Initiative ein Chaos droht.»

Die Energiestrategie 2050 sieht ebenfalls vor, dass keine neuen AKW mehr gebaut werden, allerdings dürfen die bestehenden unbeschränkt weiterlaufen. Weil die SVP das Referendum dagegen ergriffen hat, gelte es jedoch, sich die zentrale Frage nach der Energiewende zu stellen, warnt der Grüne Bastien Girod: «Das sehen auch die bürgerlichen Wähler. Wer für einen Atomausstieg ist, stimmt deshalb Ja.»

Angst vor Engpässen

Grundsätzlich zeigten die Resultate, «dass sich die Bevölkerung von den widersprüchlichen Gegenargumenten nicht beeindrucken lässt», so Girod. Es sei unglaubwürdig, wenn Energieministerin Doris Leuthard vor «Blackouts» warne und führende Gegner gleichzeitig einräumten, die Gefahr einer Stromlücke bestehe nicht.

Ungehört verhallen die Warnungen jedoch nicht, wie die Umfrageresultate zeigen. So ist bei den Gegnern die Furcht davor, dass ein frühzeitiger Atomausstieg die Stromversorgung gefährden könnte, auf Platz eins vorgerückt. Am zweithäufigsten wurde die Befürchtung geäussert, dass bei einer Annahme der Initiative schmutziger Kohlestrom importiert werden müsste. Für die Befürworter bleibt die Sicherheitsfrage im Vordergrund.

Einzige Vorlage – ein Vorteil?

Laut Politologe Milic ist es denkbar, dass die Kampagne der Gegner in den nächsten drei Wochen noch an Fahrt aufnimmt. Gleichzeitig dürfte es den Initianten helfen, dass am 27. November keine andere Vorlage an die Urne kommt: «Grünen Anliegen nützt es in der Regel, wenn sich die Leute intensiv mit der Thematik auseinandersetzen», so der Abstimmungsforscher.

Wenn die Bürger gleichzeitig über viele Themen entscheiden müssten und dadurch weniger Zeit hätten, sich mit den einzelnen Forderungen zu befassen, sprächen sie sich im Zweifelsfall eher für den Status quo aus.

Tamedia-Abstimmungsumfrage

tamedia.ch/umfragen.

(jbu)

Deine Meinung zählt