Muss Cassis jetzt auf seine Zigaretten verzichten?

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VorbildfunktionMuss Cassis jetzt auf seine Zigaretten verzichten?

Obama hörte als US-Präsident nach 30 Jahren mit dem Rauchen auf – soll Cassis dies nun auch tun? Ja, findet die Lungenliga.

Nikolai Thelitz
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Nikolai Thelitz

Soll Cassis rauchen dürfen oder nicht? Und wie gut ist das erste Foto des neuen Bundesrats? Passanten sagen ihre Meinung. (Video: Daniel Krähenbühl/Philipp Stirnemann)

Die Terrasse des Bundeshauses bietet den Bundespolitikern einen atemberaubenden Blick über die Berner Alpen – und die Möglichkeit, eine Zigaretten-Pause einzulegen. Auch an diesem sonnigen Donnerstag Vormittag wird die Gelegenheit rege genutzt. Die Parlamentarier entspannen sich für einen Moment und halten einen lockeren Schwatz mit ihren Ratskollegen.

Auch der frisch gewählte Bundesrat Ignazio Cassis stand früher gelegentlich hier. «Ich rauche fünf Zigaretten am Tag», verriet er 20 Minuten. «Er hat sich ab und zu blicken lassen, meist hat er die Zeit für Besprechungen genutzt», sagt die Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan, die sich auf der Terrasse eine Zigarette anzündet. Nun habe man den Tessiner aber schon länger nicht mehr gesehen. «Er hat sich wohl auf seinen Wahlkampf konzentriert.»

Auch Dreifuss hörte nach der Wahl auf

Cassis teilte sein Laster mit dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama. Dieser fasste während seiner ersten Amtszeit allerdings den Entscheid, nach 30 Jahren mit dem Rauchen aufzuhören. Die Begründung: Er wolle seinen Töchtern Sasha und Malia in die Augen schauen und sagen können: «Ich rauche nicht.» Auch Alt-Bundesrätin Ruth Dreifuss versprach kurz nach ihrem Amtsantritt: «Nach Ostern höre ich mit dem Rauchen auf», versprach die SP-Frau – und hielt offenbar Wort.

Für die Tabakexpertin Claudia Künzli der Lungenliga sind dies willkommene Entscheide. «Wenn auch Cassis sich dazu entscheidet, nun mit dem Rauchen aufzuhören, ist dies zu begrüssen, auch für seine eigene Gesundheit.» Auch nur fünf Zigaretten am Tag seien gesundheitlich nicht unbedenklich. Laut Weltgesundheitsorganisation seien Zigaretten «ein Konsumgut, das seine Konsumenten tötet».

«Stress könnte Cassis verleiten, mehr zu rauchen»

Dass der Arzt und Gesundheitspolitiker trotz besseren Wissens weiterrauche, sei erklärbar: «Nikotin ist eine stark abhängig machende Substanz und manchmal einfach stärker als die gesundheitlichen Bedenken», so Künzli. Die anspruchsvolle Arbeit in der Landesregierung könnte Cassis dazu verleiten, mehr zu rauchen. «Mit dem Rauchen wird oft versucht, Stress abzubauen. Dabei wird jedoch nur für kurze Zeit die Nikotinsucht befriedigt.» Kurze Entspannungsübungen und Bewegung, vor allem im Freien, könnten dazu beitragen, Stress abzubauen und bei einem Rauchstopp helfen, einer Gewichtszunahme vorzubeugen.

Parlamentarier von links bis rechts finden allerdings nicht, dass Cassis nun mit dem Rauchen aufhören sollte, weil er Bundesrat ist. «Wir haben Cassis so gewählt, wie er ist. Er muss sich jetzt nicht wegen des Amts verändern», sagt SVP-Nationalrat Gregor Rutz. Zudem solle der Bundesrat auch die Bevölkerung abbilden, wo es ja auch genug Raucher gebe. «Ich habe lieber einen Bundesrat, der auch mal eine Zigarette oder einen Schnaps geniesst, als einen verbohrten Gesundheitsfanatiker.»

«Die Raucherterrasse hat eine soziale Funktion»

Auch Arslan findet, Cassis könne auch weiterhin seinem Laster frönen. «Wir müssen ja nicht gleich alles nachmachen, was die US-Präsidenten vorleben, vor allem nicht beim aktuellen Präsidenten.» Die Raucherterrasse des Bundeshauses würde im Parlament auch eine soziale Funktion erfüllen. «Man trifft sich hier eher mit Leuten aus anderen Parteien und kann sich in lockerem Rahmen austauschen, es gilt inoffiziell die Regel, dass Journalisten aus Gesprächen hier draussen nicht zitieren, ausser es wird explizit vereinbart.»

Die Terrasse sei auch ein Nährboden für politische Ideen. «Sie würden nicht glauben, was hier schon alles für Strategien, Vorstösse und Geheimpläne entstanden sind.» Konkret werden will die Nationalrätin jedoch nicht. Falls nun Cassis trotzdem mit dem Rauchen aufhören wolle, so sind sich Arslan und Ratskollegin Claudia Friedl (SP), die sich ebenfalls auf die Terrasse begeben hat, einig: «Das schafft er, da sind wir überzeugt.»

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