Piratenchef hält Religiöse für geisteskrank

Aktualisiert

Feuer frei!Piratenchef hält Religiöse für geisteskrank

Gott ist ein Tyrann und Religion eine Massenpsychose: Im Weltbild von Thomas Bruderer, Präsident der Piratenpartei, hat Glauben keinen Platz. Wenig hilfreich, finden Politikerkollegen.

von
Simon Hehli

Auf Gott ist Thomas Bruderer nicht gut zu sprechen. Er sei ein «ekliger, grössenwahnsinniger, sadomasochistischer, launisch-boshafter Tyrann», zitiert der Präsident der Schweizer Piratenpartei den Evolutionsbiologen und Kampf-Atheisten Richard Dawkins. Die Passage stammt aus einer Diskussion über Religion im öffentlich zugänglichen Forum der Piraten, die bereits im September stattfand.

In einem längeren Text legte Bruderer dar, warum er Religion ablehnt. Nach dem protestantischen Religionsunterricht, den er als fanatisch und auf Indoktrination ausgelegt erlebt hat, sei er zu einem starken Atheismus übergegangen. Das Gros aller Religionen sei äusserst gefährlich, findet Bruderer, «selbst wenn sie durch die Aufklärung weichgewaschen wurden wie unsere Staatsreligionen».

Religiöse wie Schizophrene

Auch die Gläubigen nimmt der Chefpirat ins Visier. Wer die Bibel verteidige, sei moralisch am Boden – «egal ob er sie wörtlich oder nur im übertragenen Sinne interpretiert». In Anlehnung an Sigmund Freud bezeichnet Bruderer die Religion als Massenpsychose, die eigentlich behandelt werden müsste: «Ja, ich sehe Religion als eine Geisteskrankheit an.»

Von 20 Minuten Online auf die scharfen Worte angesprochen, erklärt der Informatiker, es handle sich um ein internes Forum, in dem die Piraten ihre Positionen offen diskutierten. An seiner Einschätzung hält er aber fest: Die Religionen seien schuld am Fanatismus, der in vielen Teilen der Welt herrsche. «Und es gibt eine hohe Korrelanz zwischen Schizophrenie und Religiosität – so etwa, dass Personen bei beiden Krankheiten Stimmen hören.»

«Wir müssen uns wehren»

Die letzte Aussage ist typisch für das wissenschaftlich geprägte Weltbild des 30-Jährigen und seiner Mitstreiter, in dem transzendente Wesen keinen Platz finden. Die Trennung von Kirche und Staat ist – nach ihren digitalen Kernthemen – die erste Forderung, welche sich die Piraten ins Parteiprogramm geschrieben haben. Entsprechend eng ist auch die Zusammenarbeit mit den religionskritischen Freidenkern.

«Ich habe nichts gegen die Gläubigen, die ihre Religion im Privaten praktizieren», betont Bruderer. Aber es gebe eben auch jene Religiösen, die versuchten, anderen ihre Moralvorstellungen aufzuzwingen. «Da müssen wir uns wehren, deshalb meine harschen Worte.»

Initiativen als Tummelfeld für Fundis?

Missionarische Fundamentalisten sieht Bruderer derzeit bei zwei Volksinitiativen am Werk: Bei jener gegen Sexualkunde-Unterricht in Kindergarten und Primarschule und jener, die verlangt, dass die Krankenkassen Abtreibungen nicht mehr bezahlen sollen.

Der Bündner CVP-Nationalrat Martin Candinas, selber ein Sympathisant der Abtreibungsinitiative, hält Bruderers Ausführungen für abstrus. Wer die beiden Volksbegehren unterstütze sei konservativ, aber sicher kein Fundi. «Extremisten haben in der Schweizer Politik nichts zu melden.»

Der gläubige Katholik sagt, er habe keine Mühe mit Menschen, die mit der Religion nichts anfangen können. «Aber die Aussagen mit der Geisteskrankheit sind unter der Gürtellinie.» Damit gefährde Bruderer das Erfolgsmodell Schweiz, in dem Menschen mit unterschiedlichsten Weltbildern friedlich miteinander lebten, findet Candinas.

Religiöse unnötig vor den Kopf gestossen

SP-Nationalrat Cédric Wermuth widerspricht einerseits Candinas: Es gebe in der Schweiz durchaus fundamentalistische Strömungen, die ihm Unbehagen bereiteten – «gerade unter Jugendlichen in Freikirchen, die dubiosen und reaktionären Weltbildern anhängen».

Andererseits hält auch der frühere Juso-Präsident Bruderers scharfe Religionskritik für wenig hilfreich: Die meisten religiösen Menschen in der Schweiz seien aufgeklärt und würden mit solchen Provokationen unnötig vor den Kopf gestossen. «Das erschwert dann die konstruktive Diskussion über durchaus nötige Schritte – etwa über die Trennung von Staat und Kirche.»

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