Piratenpartei will Geheimdienst abschaffen

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ÜberwachungsstaatPiratenpartei will Geheimdienst abschaffen

Wegen «permanenter Überwachung» will die Piratenpartei alle Geheimdienste in der Schweiz schliessen. Dies bringe wenig, sagen Experten. Überwacht werde man sowieso rund um die Uhr.

Nicole Glaus
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Nicole Glaus
«Die eigentliche Gefahr liegt bei der grossen Menge persönlicher Informationen, die wir sorglos irgendwo preisgeben», sagt die Präsidentin des Datenschutz-Forums Schweiz, Ursula Uttinger.

«Die eigentliche Gefahr liegt bei der grossen Menge persönlicher Informationen, die wir sorglos irgendwo preisgeben», sagt die Präsidentin des Datenschutz-Forums Schweiz, Ursula Uttinger.

«Der Geheimdienst ist ein unkontrollierbarer Überwachungsapparat», sagt Stefan Thöni, Mitglied der Piratenpartei. Die Partei fordert deshalb die Abschaffung des Nachrichtendienstes des Bundes NDB, des Nachrichtendienstes der Schweizer Armee und das Ende der Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten.

«Wir werden zu jeder Zeit und willkürlich vom Bund überwacht», warnt Thöni. Dies schade der Schweizer Demokratie. «Irgendwann können dann etwa die Medien nicht mehr frei arbeiten.» Immer wieder gebe es Unstimmigkeiten, die solche Probleme aufzeigten - wie etwa vor kurzem die Affäre Giroud oder die Fichenaffäre 1990. «Es wird immer schlimmer werden», so Thöni. Um die Schweizer Bürger zu schützen, brauche es deshalb grundlegende Veränderungen. So will die Piratenpartei etwa, dass künftig nur noch die Polizei aufgrund richterlicher Anordnungen potenziell kriminelle Personen überwachen darf.

«Eine Abschaffung des Nachrichtendienstes ist undenkbar»

Für Peter Regli, den ehemaligen Chef des Schweizer Nachrichtendienstes, ist die Forderung der Piratenpartei «weltfremd und verantwortungslos». Jede Regierung sei darauf angewiesen, dass sie unabhängige Informationen bekomme. «Eine Abschaffung des Nachrichtendienstes ist undenkbar», so Regli. Der Geheimdienst beurteile ununterbrochen die Situation rund um den Schweizer Finanz- und Wirtschaftsplatz, den internationalen Terrorismus, unkontrollierte Einwanderung oder die Bedrohung durch Cyber-Angriffe.

Der NDB analysiere laut Regli etwa die Bedeutung der Ukraine-Krise für die Schweiz. «Aufgrund dieser Beurteilungen entscheidet dann der Bundespräsident Didier Burkhalter, was die Schweiz unternimmt.» Den Vorwurf der Piratenpartei, dass der NDB eine «Massenüberwachung auf Vorrat» betreibe, sei deshalb haltlos. Beispielsweise sei bekannt, dass in Syrien auch Schweizer im Dschihad kämpfen. «Da solche Gotteskrieger bei ihrer Rückkehr eine potenzielle Bedrohung für die Schweiz darstellen, muss der Nachrichtendienst versuchen, diese zu überwachen.»

«Wir hinterlassen unsere Spuren permanent»

«Die eigentliche Gefahr liegt bei der grossen Menge persönlicher Informationen, die wir sorglos irgendwo preisgeben», sagt die Präsidentin des Datenschutz-Forums Schweiz, Ursula Uttinger. «Wir hinterlassen unsere Spuren praktisch permanent - wenn wir ein Verkehrsmittel brauchen und dabei per Video überwacht werden, beim Telefonieren, sobald wir im Internet surfen, E-Mails schreiben oder auf Facebook ein Bild hochladen.» Unternehmen und Privatpersonen hätten dadurch einfache Möglichkeiten grosse Mengen an Daten für eigennützige Zwecke zu missbrauchen. «Im Gegensatz dazu hat der Staat und somit etwa auch der Nachrichtendienst des Bundes klare Reglungen zu befolgen und steht unter der Aufsicht der Politik.»

Eigentlich hätten Privatpersonen einfache Möglichkeiten, sich im Alltag besser vor Datenmissbrauch zu schützen: «Indem wir etwa Privatsphäre-Einstellungen bei Software mehr Beachtung schenken, Proxy-Server und Meta-Suchmaschinen verwenden oder auch einfach einmal offline sind.» Zusätzlichen Schutz würde auch eine zweite, unpersönliche E-Mailadresse wie etwa grüne.wiese@beispiel.ch bieten.

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