AusschaffungsinitiativePlant Justiz softe Linie mit kriminellen Ausländern?
Sechs Jahre nach der Abstimmung wird die Ausschaffungsinitiative umgesetzt. Die SVP nimmt die Gerichte in die Pflicht.
Sechs Jahre lang wurde um die Umsetzung der SVP-Ausschaffungsinitiative gerungen. Am Samstag tritt das Umsetzungsgesetz nun endlich in Kraft. Damit werden kriminelle Ausländer automatisch für 5 bis 15 Jahre des Landes verwiesen, wenn sie schwere Gewaltverbrechen wie Mord oder schwere Körperverletzung begehen.
Der umfangreiche Katalog umfasst aber auch Raub oder Vermögens-, Sexual- und Drogendelikte. Ausnahmen sieht das Gesetz in Härtefällen vor (siehe Box).
Empfehlungen der Staatsanwälte sorgen für rote Köpfe
Offen ist, wie sich das neue Regime auf die Zahl der Ausschaffungen auswirkt. Im Abstimmungskampf zur Durchsetzungsinitiative, die das Volk im Februar ablehnte, warben die SVP-Gegner mit Inseraten für die «pfefferscharfe» Umsetzung. Auch Zahlen wurden genannt: Laut einer
Auswertung des Bundesamts für Statistik wären rund 3500 Fälle betroffen. Heute sind es 500 bis 800 Ausschaffungen pro Jahr.
Der inzwischen abgetretene SVP-Chef Toni Brunner hatte schon im Februar angekündigt, er werde mit einer «Strichli-Liste» kontrollieren, ob die Versprechungen eingehalten werden. Die SVP befürchtet, dass die vorgesehene Härtefallklausel den Gerichten Tür und Tor dafür öffnet, von Landesverweisen abzusehen.
Genährt wird der Verdacht durch Empfehlungen, die die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz im September veröffentlicht hat. Sie sollen den kantonalen Strafverfolgungsbehörden als Richtschnur bei der Auslegung der Härtefälle dienen, wie die «Weltwoche» berichtete. «Die Empfehlungen lassen befürchten, dass die Justiz die Härtefallklausel möglichst breit anwenden will», sagt Rutz.
Relativierung des obligatorischen Landesverweises
In dem Papier der Staatsanwälte heisst es unter anderem, dass ein Ladendiebstahl trotz Hausverbot keine obligatorische Landesverweisung rechtfertige. Der Deliktkatalog sieht eine Verweisung für Diebstahl in Verbindung mit Hausfriedensbruch vor.
Relativiert wird in den Empfehlungen der zwingende Landesverweis: Die privaten Interessen des Ausländers, der eine Tat des Katalogs begangen hat, am Verbleib in der Schweiz seien «in der Regel» höher zu gewichten als das öffentliche Interesse an einer Landesverweisung, wenn gewisse Bedingungen erfüllt sind. Voraussetzung ist neben einer B- oder C-Bewilligung, dass den Täter bloss eine Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen erwartet. Zudem darf er in den letzen fünf Jahren nie zu einer Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten verurteilt worden sein.
Für Rutz ist klar: «Wenn sich die Richter bei der Härtefallklausel zu viel Freiraum nehmen, wird dies das Volk nicht akzeptieren.» In diesem Fall werde die SVP eine Verschärfung des Gesetzes anstrengen müssen.
«Empfehlungen beruhen auf breitem Konsens»
Thomas Hansjakob, Oberster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen, bestreitet, dass die Justiz die Ausschaffungen hintertreiben wolle. Die Empfehlungen der Staatsanwälte-Konferenz würden auf einen breiten Konsens beruhen und «nicht eine möglichst weiche, sondern eine möglichst vernünftige Umsetzung bezwecken». Und: «Was wir hier vorschlagen, ist vermutlich viel strenger als das, was die Gerichte schlussendlich umsetzen werden.»
Auch SP-Nationalrat Jean Christophe Schwaab glaubt nicht, dass die Richter den Volkswillen mittels einer expansiven Auslegung der Härtefallklausel aushebeln werden. «Der Grundsatz ist immer noch: Wenn das Delikt im Katalog steht, wird ausgeschafft. Nichtausschaffung muss immer begründet werden.» Wenn die Begründung mangelhaft ausfällt, hätten Kantonsbehörden die Möglichkeit, Rekurs einzulegen. Dann würde das Bundesgericht eine ausreichende Erklärung verlangen. «Wird diese nicht geliefert, wird die Ausschaffung trotzdem beantragt.»
Die Härtefallklausel
Gemäss dem neuen Gesetz kann das Gericht ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen «schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der
Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers
am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen». Die SVP hatte die Klausel im Abstimmungskampf zur Durchsetzungsinitiative als «Täterschutzklausel» bezeichnet.