MigrationPolitikerin will Begriff «Secondo» verbannen
SP-Nationalrätin Ada Marra wehrt sich dagegen, als Seconda betitelt zu werden. Stattdessen solle man von «Kindern von Einwanderern» sprechen.
Die zweite Generation von Einwanderern in die Schweiz wird als Secondos bezeichnet. Zum Ärger von SP-Nationalrätin Ada Marra: Die Politikerin aus dem Kanton Waadt mit italienischen Wurzeln sagt in einem Interview mit «Le Matin Dimanche», sie hasse diesen Begriff. Auf Anfrage führt sie aus: «Mit dem Wort ‹Secondo› sorgt man dafür, dass die Kinder von Einwanderern weiterhin als Fremde betrachtet werden.»
Weiter zwinge der Begriff diesen Personen die Migrationsgeschichte ihrer Eltern auf, so Marra. «Werden sie weiterhin als Secondos bezeichnet, hilft das den Rechtsextremen, die uns glaubhaft machen wollen, dass die Einwandererkinder nicht zur Schweizer Familie gehören.» Ihrer Meinung nach sollte man den Begriff «Secondo» vermeiden und wenn nötig durch «Kind von Einwanderern» ersetzen.
«Menschen mit oder ohne Pass» statt Secondos
Juso-Präsidentin Tamara Funiciello teilt die Einschätzung von Marra: «‹Secondo› ist tatsächlich ein schwieriger Begriff. Ich bin dafür, dass wir nur noch von Menschen mit oder Menschen ohne Schweizer Pass sprechen.» Sie begrüsse diese Alternative, wo sie selbst mit ihren italienischen Wurzeln häufig als Seconda bezeichnet werde. Funiciello: «Ich will nicht nur über die Herkunft meiner Eltern definiert werden, sondern darüber, was ich geleistet habe.»
Isabel Garcia, Präsidentin des Vereins Secondas Zürich, versteht die Diskussion nicht: «Der Begriff passt doch: Es steht drauf, was drin ist. Genau darum hat er sich so schnell durchgesetzt.» Secondo sei ein Überbegriff für die klassische zweite Generation, für Personen mit Migrationshintergrund, für die dritte Generation und für die Doppelbürger.
«Der Begriff ‹Secondo› wirkt integrierend»
«Das Wort gefällt mir besser als etwa ‹Ausländer›, ‹Einwanderer› oder gar ‹Migrant›. Denn es hat etwas Jugendliches an sich und ist für alle leicht auszusprechen», erläutert Garcia. Gerade deshalb wirke der Begriff integrierend. Sie sei selbst Doppelbürgerin und als halbe Spanierin keine «klassische Seconda», aber: «Mir gefällt der Begriff.»
Dass sich eine Sozialdemokratin gegen die Bezeichnung stemmt, ist für Garcia typisch: «Die SP stört sich immer an so Spitzfindigkeiten. Ich kenne aber niemanden, der ein Problem mit dem Begriff ‹Secondo› hat.»
Kritik sei «an den Haaren herbeigezogen»
Auch Adrian Spahr versteht die Aufregung nicht: «Dieser Begriff ist überhaupt nicht bedenklich, sondern völlig harmlos», sagt der Co-Präsident der Jungen SVP Bern. Er sehe nichts Diskriminierendes daran. Die Kritik der SP-Nationalrätin Marra sei «an den Haaren herbeigezogen». Er selbst sehe sich als «halben Secondo». Denn: «Mein Vater ist Schweizer, meine Mutter ist Brasilianerin.» Als Secondo bezeichnet zu werden, sei für ihn kein Problem.
«Schade» fände es SVP-Nationalrätin Yvette Estermann, wenn der Begriff «Secondo» verschwinden würde. «Es ist doch wichtig, dass man seine Herkunft zeigt und seine Wurzeln pflegt, anstatt sie zu verleugnen. So gelingt auch die Integration viel besser», sagt sie. Bisher habe sie noch niemanden getroffen, der sich über die Bezeichnung «Secondo» störte. Estermann: «Jedes Wort kann auf abschätzige Art und Weise verwendet werden. Das liegt an den Menschen, nicht am Wort selbst.»
So viele Secondos leben in der Schweiz
602'000 Personen mit Migrationshintergrund wohnten 2016 in der Schweiz. Das entspricht laut Bundesamt für Statistik (BFS) 37 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung über 15 Jahren.
Im vergangenen Jahr lebten 498'000 Personen der zweiten Generation in der Schweiz. Darunter sind 51 Prozent eingebürgerte Schweizer, 35 Prozent Ausländer mit mindestens einem im Ausland geborenen Elternteil sowie 14 Prozent gebürtige Schweizer mit beiden im Ausland geborenen Eltern. Dies zeigen die Zahlen des BFS von 2016. (sil)