Polizei will ohne Verdacht Handys überwachen

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Büpf-RevisionPolizei will ohne Verdacht Handys überwachen

Die Revision des Bundesgesetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs soll Polizisten die Identifikation aller Handybesitzer ermöglichen - ohne richterliche Ermächtigung.

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«Sie sind umstellt» und «Sie haben keine Chance» hiess es in der Nachricht, die auf dem Handy-Display von Demonstranten während einer Demo gegen die Regierung in der ukrainischen Hauptstadt Kiew am letzten Donnerstag erschien.

Das neue Gerät «Imsi-Catcher» erlaubte den ukrainischen Polizeikräften die Demonstranten zu identifizieren und anzupiepsen. Der Catcher funktioniert wie eine Mobilfunkzelle, in die sich alle eingeschalteten Handys im Umkreis von 300 Metern einloggen und die den Behörden automatisch die «International Subscriber Identity» (IMSI) übermittelt. Der 15-stellige Code ist auf jeder Sim-Karte und lässt jeden Besitzer eines Mobiltelefons identifizieren. Mittlerweile kann das Gerät auch Bewegungsprofile erstellen und Gespräche aufzeichnen.

Personenkontrolle ohne Verdacht oder Straftat

Auch in der Schweiz setzen Polizeibehörden den Imsi-Catcher ein. Bislang zwar vorwiegend bei der Suche nach vermissten Personen, laut Bundesamt für Polizei (Fedpol) rund 15 Mal jährlich. Nun soll aber eine juristische Rechtsgrundlage den Einsatz des Imsi-Catchers auch für die Verbrechensbekämpfung regeln, wie es das Eidgenössische Polizei- und Justizdepartement fordert. Dies soll parallel zur laufenden Revision des Bundesgetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) geschehen. So soll für jeden Imsi-Catcher-Einsatz und für die Auswertung der Daten eine richterliche Ermächtigung notwendig werden.

Laut «Schweiz am Sonntag» würde aber die geplante Büpf-Revision der Polizei durch eine Hintertür die Möglichkeit bieten, auch ohne konkreten Verdacht, ohne jede Straftat und ohne richterlicher Ermächtigung das Handy jedes Bürgers für Polizeikontrollen zu nutzen. Bei der Überwachung würden nicht nur die Daten der Zielperson erfasst, was richterlich genehmigt wäre, sondern auch die Daten aller Personen, die sich im Umkreis der gesuchten Person befinden.

«Eine solche Datenauswertung ist inakzeptabel»

Für die Identifikation des Handybesitzers durch den Imsi-Code braucht die Polizei keine Bewilligung durch einen Richter. Gegenüber «Schweiz am Sonntag» bestätigt das Bundesamt für Justiz, dass die Auswertung solcher Daten nicht dem Fernmeldegeheimnis unterliegen und sie von der Polizei «zur Erfüllung der Polizeiaufgaben ohne Anordnung der Staatsanwaltschaft und ohne Genehmigung eines Zwangsmassnahmegerichts verlangt werden dürfen». Die Handy-Nutzer selber müssen dafür erst gar nicht angefragt werden.

Befürworter und Gegner der Büpf-Revision melden sich nun zu Wort. Laut Martin Steiger, Rechtswanwalt und Mitglied der Digitalen Gesellschaft könne sich die Polizei somit jederzeit selber Auskunft zu einer Person beschaffen, die sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort aufhält - ohne Kontrolle, wie er gegenüber «Schweiz am Sonntag» sagte. Imsi-Catcher sollten nur gegen Personen eingesetzt werden dürfen, die auch tatsächlich verdächtigt werden. So sieht es auch FDP-Nationalrat Ruedi Noser, der die Daten-Auswertung von Personen ohne konkreten Verdacht für inakzeptabel hält.

Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz

Der St. Galler Staatsanwalt Thomas Hansjakob befürwortet die geplante Revision. Seiner Meinung nach bestünde ja immer die Versuchung, solche Möglichkeiten exzessiv auszunutzen. Aber Zufallsfunde würden sinnvoll verwertet. Die Revision des Bundesgesetzes zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) und ein neues Nachrichtendienstgesetz sollen im Frühling in den Ständerat kommen. Nebst Handy-Überwachung soll die Polizei zudem die Möglichkeit erhalten, Postsendungen zu öffnen, Handys zu orten und Spionage-Software wie Bundes-Trojaner in Computern einzuschleusen.

Nun droht FDP-Nationalrat Ruedi Noser mit einem Referendum gegen die Büpf-Revision. Falls der Schutz der Privatsphäre nicht ausgebaut werde, unterstütze er das Referendum gegen das Überwachungsgesetz. Rückenwind erhält er von EU-Generalanwalt Cruz Villalón, der in einem Gutachten die massenhafte Datenspeicherung als Verletzung des Grundrechts auf Datenschutz und die Achtung des Privatlebens bezeichnete. Die definitive Entscheidung über die Vorratsdatenspeicherung liegt nun beim Europäischen Gerichtshof (EuGH).

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