So tickt die Frau, die für sauberes Wasser kämpft

Aktualisiert

Trinkwasser-InitiativeSo tickt die Frau, die für sauberes Wasser kämpft

Fitnesstrainerin Franziska Herren ist der Kopf hinter der Initiative für sauberes Trinkwasser. Wie sie es schaffte, ihr Thema ganz oben auf die politische Agenda zu setzen.

Pascal Michel
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Pascal Michel
Franziska Herren ist Präsidentin des Vereins «Sauberes Wasser für alle». In nur zehn Monaten sammelte sie mit ihren Mitstreitern 114'000 Unterschriften für ihre Volksinitiative.
Diese verlangt, dass nur noch Bauern Subventionen erhalten, die auf den Einsatz von Pestiziden und Antibiotika verzichten.
Ein Schlüsselerlebnis, das Herren zur Lancierung der Initiative bewogen hat, war die Begegnung mit einer Kuh, der das Kalb weggenommen worden war. Daraufhin begann sie zu recherchieren und stellte fest, dass «etwa diese Trennung von Kuh und Kalb zusätzlichen Antibiotika-Einsatz nötig macht».
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Franziska Herren ist Präsidentin des Vereins «Sauberes Wasser für alle». In nur zehn Monaten sammelte sie mit ihren Mitstreitern 114'000 Unterschriften für ihre Volksinitiative.

«Petri-Heil», Dominique R. Lambert

Nachdem Franziska Herren zusammen mit ihren Mitstreitern 114'420 Unterschriften für ihre Volksinitiative «Für sauberes Trinkwasser» eingereicht hatte, lud sie zur Feier ins Berner Generationenhaus zu Suppe, Brot und Wein – natürlich alles lokal, biologisch und vor allem frei von Pestiziden, mit denen die Landwirtschaft laut Herren «die eigenen Lebensgrundlagen zerstört».

Was die Präsidentin des Vereins «Sauberes Wasser für alle» Mitte Januar ihren Unterstützern auftischte, wünscht sie sich auch für die ganze Schweiz: Lebensmittel, die ohne Pestizide, Antibiotika und Futtermittelimporte auskommen und das Trinkwasser nicht belasten. Deshalb fordert die 50-jährige Fitnesstrainerin, die innert 10 Monaten zum Kopf der Initiative «Für sauberes Trinkwasser und gesunde Nahrung» geworden ist, die Streichung von Direktzahlungen für Bauern, die Pestizide oder Antibiotika einsetzen.

Tagwacht ist jeden Morgen um 4 Uhr

Bei der Übergabe der Unterschriften an die Bundeskanzlei wirkt Herren nicht müde, obwohl sie seit März 2017 jeden Tag um 4 Uhr aufsteht, um das grosse Interesse an ihrem Begehren zu meistern: Anrufe von besorgten Bauern, Anfragen für Interviews und Referate oder die Koordination der Unterschriften. Die Angst um die Schweizer Trinkwasserqualität treibt sie an. «Das grosse Interesse an unserer Initiative zeigt, dass sich viele Bürger eine ökologischere Landwirtschaft wünschen», erklärt sie.

Trinkwasser-Initiative

Ein Schlüsselerlebnis für die Zusammenhänge zwischen der landwirtschaftlichen Produktion und der Trinkwasserqualität hatte Herren auf einer Wanderung im Berner Oberland. «Dort sah ich eine Kuh, die erbärmlich jammerte, weil ihr das Kälbli sofort nach der Geburt weggenommen worden war.» Bis dahin habe sie nicht gewusst, dass dies in der Landwirtschaft normal ist.

«Ich wurde zwar streng ökologisch erzogen, habe aber erst nach diesem Erlebnis begonnen, genauer zu recherchieren.» Sie habe dann erkannt, dass etwa diese Trennung von Kuh und Kalb zusätzlichen Antibiotika-Einsatz nötig macht. Dass zudem ein Teil der Pestizide ins Wasser gewaschen werde, habe sie ebenso schockiert wie der Umstand, dass die Böden die grossen Mengen ausgebrachter Gülle gar nicht mehr aufnehmen können, was wiederum das Trinkwasser verschmutze. Seither ernährt sich Herren rein pflanzlich.

Initiative war Reaktion auf «Ignoranz der Behörden»

Die Volksinitiative ist nicht das erste politische Engagement der Aerobic-Trainerin aus Wiedlisbach BE. Erstmals aktiv wurde sie, als in ihrer Burgergemeinde ein Waldstück fast komplett abgeholzt werden sollte. Sie suchte mit Vertretern der Gemeinde das Gespräch und erreichte, dass ein Teil der Bäume stehen gelassen wurde. Diese Taktik ging beim Thema Trinkwasser nicht auf: «Die Behörden und Wasserversorger nahmen meine Bedenken, dass der hohe Antibiotika- und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft unser Trinkwasser gefährdet, nicht ernst. Ich wurde belächelt.»

Ihr Anliegen, das Bauernvertreter als radikal und bedrohend für die Existenz der Bauernfamilien bezeichnen, mittels einer Volksinitiative auf die politische Agenda zu setzen, war eine Protestaktion gegen diese Ignoranz der Verantwortlichen. «Ich stand vor der Entscheidung, aufzugeben, oder aufs Ganze zu gehen», sagt Herren. Da sie gemerkt habe, dass ausser ihr niemand bereit dazu war, habe sie diesen Schritt gewagt.

Dass sie ihr Anliegen bereits nach zehn Monaten beim Bund deponieren konnte, hätte sie zu Beginn nicht für möglich gehalten. «Die ersten zwei Monate waren sehr hart: Die Menschen waren nicht für das Thema sensibilisiert, und wir mussten sehr viel Überzeugungsarbeit leisten.»

Dies änderte sich, als das Wasserforschungsinstitut Eawag im April einen Bericht zur Pestizidbelastung in Schweizer Bächen veröffentlichte und das Thema auch in den Medien thematisiert wurde. Das Resultat des Eawag-Berichts: In allen untersuchten Gewässern wurden die Grenzwerte überschritten. «Von da an wurde die Unterschriftensammlung zum Selbstläufer», sagt Herren. Zwei Monate später erhielt die Initiative zusätzlich Schub durch die Analyse der Nationalen Grundwasserbeobachtung, wonach an jeder fünften Trinkwasser-Meldestelle zu hohe Pestizid-Konzentrationen gemessen worden waren.

«Unterschriftensammlung ist das beste Persönlichkeitstraining»

Diese Dynamik kam Herren, die sich selbst als scheue Person bezeichnet, gelegen. «Ich habe Mühe, auf Leute zuzugehen und sie zu überzeugen.» Sie habe durch die Unterschriftensammlung aber auch viel gelernt: «Die Diskussion mit Leuten auf der Strasse ist eine der besten Persönlichkeitstrainings, da man lernt, mit Niederlagen umzugehen.» In der Öffentlichkeit zu stehen, daran müsse sie sich aber noch gewöhnen. «Es kommt vor, dass mir auf Facebook jemand schreibt, wir seien Idioten – damit habe ich Mühe. Aber ich wusste ja, worauf ich mich einlasse.»

Auch ihre zwei Kinder haben sich inzwischen damit abgefunden, dass die Initiative der Mutter viel Zeit abverlangt. «Mein 17-jähriger Sohn realisierte erst, wie viel Arbeit eine Initiative verlangt, als der Kühlschrank wieder einmal leer war», sagt Herren. Seither haben sie die Rollen getauscht und der Sohn macht einen Grossteil der Einkäufe. Dabei kauft er natürlich wenn immer möglich Demeter-Produkte direkt ab dem Hof.

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