SVP-InitiativeSP-Mann will Abstimmung wiederholen
Alt Nationalrat Rudolf Rechsteiner nimmt das Ja zur Zuwanderungs-Initiative nicht hin: Das Volk habe die verheerenden Auswirkungen nicht abschätzen können.

Rudolf Rechsteiner glaubt nicht, dass die Schweizer wirklich wussten, was sie sich am 9. Februar eingebrockt haben.
Denn sie wussten nicht, was sie tun: Der frühere SP-Nationalrat und heutige Basler Grossrat Rudolf Rechsteiner hat eine Standesinitiative eingereicht, die eine Wiederholung der Abstimmung zur SVP-Zuwanderungsinitiative fordert. Der Grund: Es sei unwahrscheinlich, dass die Stimmberechtigten die Tragweite der neuen Verfassungsbestimmung vor dem 9. Februar bereits erkannt hätten.
Die sehr knappe Mehrheit, die zur Initiative Ja sagte, sei verführt worden «von der Blocher-Presse, die seit Jahren eine fremdenfeindliche, neoliberale und sozial-darwinistische Hysterie schürt, deren Wirkung an den Abstimmungsresultaten in der Deutschschweiz erkennbar ist», schreibt Rechsteiner in seinem Vorstoss.
Im Gespräch mit 20 Minuten gibt er sich überzeugt, dass die Abstimmung heute anders ausfallen würde: «Es ist ein demokratisches Recht, Fehler korrigieren zu dürfen.»
Was uns alles droht
Den Schweizer Bürgern und der Wirtschaft drohten massive Probleme, so Rechsteiner: Handelshemmnisse, Ausgrenzung in Wissenschaft und Forschung, ein Mangel an Pflegepersonal. Dazu komme eine absehbare Blockierung des Stromabkommens, eine Einschränkung der Forschungszusammenarbeit und ein genereller Verhandlungsstillstand in allen Dossiers.
In Basel gab es eine satte Mehrheit von 61 Prozent gegen die Initiative. Der Stadtkanton habe allen Grund, sich gegen die Folgen einer Kontingentierung der Zuwanderung zu wehren, sagt Rechsteiner. «Wir sind einer der Kantone mit dem höchsten Wachstum – und werden nun von Kantonen, die von uns über den Finanzausgleich Geld kassieren, daran gehindert, weiter zu prosperieren.»
Bei der Sommerzeit gings auch
Rechsteiner beruft sich auf einen historischen Präzedenzfall: Im Jahr 1978 lehnte es das Schweizer Volk knapp ab, die Sommerzeit einzuführen. Dadurch wurde das Land zu einer Zeitinsel mitten in Europa, denn die Nachbarstaaten stellten auf Sommerzeit um.
Das führte zu Problemen für Firmen, Grenzgänger und den Eisenbahnverkehr. Deshalb setzte sich das Parlament nicht einmal zwei Jahre nach der Abstimmung über den Volksentscheid hinweg und beschloss die Einführung der Sommerzeit. Die 50'000 Unterschriften für ein Referendum kamen daraufhin nicht zustande.
Verknüpfung mit Kroatien
Die Standesinitiative müsste zuerst im Kantonsparlament eine Mehrheit finden. Das werde er problemlos schaffen, sagt Rechsteiner: «Es haben mir schon einige Freisinnige ihre Unterstützung zugesagt.» Schwieriger dürfte es allerdings im Bundesparlament werden.
Rechsteiner schlägt vor, eine Neuauflage der Abstimmung mit jener über die Erweiterung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien zu verknüpfen. «Hauptsache, der Artikel 121a – dieser braune Fleck in unserer Verfassung – wird durch etwas Besseres ersetzt.»
Nicht hadern, sondern möglichst gut umsetzen
SVP-Generalsekretär Martin Baltisser will Rechsteiners Vorstoss gar nicht weiter kommentieren. Er sagt nur: «Das ist bloss Schaumschlägerei von jemandem, der offenbar einen demokratischen Entscheid nicht akzeptierten kann.»
Auch BDP-Präsident Martin Landolt verweigert Rechsteiner seine Unterstützung. «Ich gehe davon aus, dass die Leute in unserer direkten Demokratie sorgfältig mit ihren Volksrechten umgehen.»
Die Verlierer der Abstimmung, zu denen auch Landolt selber zählt, sollten jetzt nicht hadern, sondern bei der Umsetzung das Bestmögliche herausholen, sagt der Glarner: «Wir haben vor der Abstimmung intensiv auf die zu erwartenden negativen Auswirkungen hingewiesen. Unsere Aufgabe ist es nun, die Initiative so umzusetzen, dass möglichst wenige der Befürchtungen eintreffen.»