StrafverfahrenSVP-Politiker soll Mutter bei Flucht geholfen haben
Nationalrat Pirmin Schwander und Kesb-Kritikern wird vorgeworfen, einer Mutter bei der Entführung ihres Kindes geholfen zu haben.

SVP-Nationalrat und Kesb-Kritiker Pirmin Schwander soll einer Mutter bei der Flucht vor den Behörden mehrere tausend Franken bezahlt haben.
Keystone/Peter KlaunzerSVP-Nationalrat Pirmin Schwander kämpft an vorderster Front für eine Initiative zur Einschränkung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Kesb. Nun läuft gegen den Nationalrat und eine Reihe weiterer Kesb-Kritiker jedoch ein Strafverfahren. Der Vorwurf: Gehilfenschaft zur Entführung eines Kindes. Für die mutmassliche Straftat können bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug drohen. Wie Recherchen des «Tages-Anzeigers» publik machen, soll Schwander eine Mutter aus Biel bei ihrer Flucht vor den Behörden mit mehreren tausend Franken unterstützt haben.
Anstatt ihre eineinhalbjährige Tochter am 30. Oktober 2015 in ein Kinderheim in Biel zurückzubringen, tauchte die Frau mit ihr rund acht Monate in Spanien, Italien und Frankreich unter. Daraufhin wurde ein Strafverfahren wegen Entziehens von Minderjährigen sowie Freiheitsberaubung und Entführung eingeleitet. Seitdem sie in Frankreich verhaftet und danach in die Schweiz überstellt wurde, sitzt die Mitdreissigerin in Untersuchungshaft. Der Aufenthaltsort der Tochter ist unbekannt.
Akt der Menschlichkeit
Neben Pirmin Schwander sind dem «Tages-Anzeiger» fünf der Kesb-Kritiker namentlich bekannt. Die Kantonspolizei Bern und die Staatsanwaltschaft warfen unter anderem einer Seeländerin vor, Mutter und Tochter nach Spanien gefahren zu haben. Der Anwalt der Hauptbeschuldigten und seine Sekretärin sollen ihr zu einem Unterschlupf in Spanien verholfen haben. Bis am 30. August 2016 waren sie zwei Monate lang inhaftiert. Angeblich wurde Pirmin Schwanders Geld über die beiden zur Mutter verschoben.
Mehrere der beschuldigten Kesb-Kritiker, die aus verschiedenen Orten der Deutschschweiz stammen, bestreiten ihre Handlungen zugunsten der Mutter und des Kindes nicht. Anstatt etwas Strafbares sehen sie darin einen Akt der Menschlichkeit. Ihrer Ansicht nach ist die Frau ein Behördenopfer. Sie hätten einer verzweifelten Frau und einem Kleinkind in der Not helfen wollen. Marc F. Suter, der die Seeländer Kesb-Kritikerin vertritt, sagt: «Der Staat will ein Exempel statuieren und schiesst mit Kanonen auf Spatzen.»
Schwander tritt in der «Rundschau» auf
Die Kantonspolizei betont, dass es sich um ein laufendes Strafverfahren handle und die Unschuldsvermutung gelte. Schwander wollte sich nicht zum Fall äussern. Die Website der Volksinitiative kündigt aber einen TV-Auftritt seinerseits heute Abend in der Sendung «Rundschau» an. Da das Engagement in engem Zusammenhang mit seiner politischer Tätigkeit steht, verfügt der Nationalrat laut seinem Anwalt Valentin Landmann über parlamentarische Immunität. Die Ermittler prüfen jedoch ein Aufhebungsgesuch.
Der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst Biel-Seeland schrieb in einem Gutachten, die Mutter habe «eine liebevolle Beziehung» aufgebaut. Dennoch sei sie unfähig, «sich umfassend und langfristig um ihr Kind kümmern zu können».