EmmentalSchüler wegen Fesselspiel in Lager verurteilt
Die Justiz bestraft sechs 13-Jährige wegen Freiheitsberaubung und Tätlichkeit. Psychologen sprechen von einer «Hexenjagd».

Fünf der sechs Strafbefehle sind rechtskräftig: Das Gebäude der Jugendanwaltschaft, Dienststelle Emmental-Oberaargau, in Burgdorf.
justice.be.chIn einer Gemeinde im Emmental kreuzte die Polizei mit zwölf zivilen Beamten in einer Schule auf. Sechs Siebtklässler wurden verhaftet – die Polizisten holten drei von ihnen direkt aus dem Unterricht. Mehrere Monate später werden die 13-Jährigen verurteilt – wegen Freiheitsberaubung und Tätlichkeit, berichtet die «SonntagsZeitung».
Grund war ein Vorfall in einem Lager der reformierten Kirche. Die Buben haben einen Gleichaltrigen gefesselt. Einer der Betroffenen erzählt im Bericht, dass aus einer Wette dieses Fesselspiel entstanden sei. Sie wollten schauen, ob sich das Gspänli «selbst befreien» könne. Doch der Gefesselte fiel hin, zog sich Prellungen zu und brach in Tränen aus. Nach «ungefähr zehn Minuten» sei ihm geholfen worden.
Probezeit von einem Jahr
Das Lager fand im April 2016 statt, verhaftet wurden die Buben erst zwei Monate später. Das Verfahren dauerte bislang anderthalb Jahre und kostete schätzungsweise 150'000 Franken. Die Strafverfolgung wurde aktiv, weil die Familie des Opfers eine Strafanzeige eingereicht hatte. Sechs Jugendliche wurden verurteilt – fünf Strafbefehle sind rechtskräftig.
Der «SonntagsZeitung» kennt die Strafe von einem der Jugendlichen: «Er muss eine unbedingte persönliche Leistung von drei Tagen in Form von deliktsorientierten Gesprächen erbringen.» Die Jugendanwältin brummte ihm zudem einen Tag bedingt, mit einem Jahr Probezeit auf. Auch die Verfahrenskosten von 10'000 Franken muss der Teenager zahlen, sofern er in den kommenden zehn Jahren Vermögen aneignet.
«Klassische Überreaktion»
Der Jugendliche weiss nun, dass er einen «huere Schiisdräck» gemacht hat. Der Psychologe und Gewaltexperte Allan Guggenbühl spricht von einer «klassischen Überreaktion». Leider sei es heute ein Trend, «bei jeder Kleinigkeit eine Anzeige einzureichen – gerade im Umfeld von Schulen». Zum Vorfall sagt er, es habe sich um ein Spiel gehandelt.
Auch Philipp Ramming, Präsident der Schweizerischen Vereinigung für Kinder- und Jugendpsychologie, kritisiert das Vorgehen im betreffenden Fall: Es handle sich um ein «Versagen der pädagogischen Welt, indem ein Problem an die staatliche Autorität delegiert wird», sagt er. «Für sie (die Jugendlichen) muss es sich anfühlen wie eine Hexenjagd.»