Schweizer Politiker wollen Fifa an den Kragen

Aktualisiert

Korruptions-SkandalSchweizer Politiker wollen Fifa an den Kragen

Nach dem jüngsten Fifa-Skandal ist für Parlamentarier klar: Der Weltfussballverband darf in der Schweiz nicht «weitermauscheln» wie bisher.

P. Michel/ J. Büchi
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P. Michel/ J. Büchi

«Fifa: Wie lange will der Bundesrat noch zusehen?», «Schluss mit der Steuerbefreiung für die Fifa» oder «Korrupte Fifa-Funktionäre in Amt und Würden»: In den letzten Jahren haben Schweizer Politiker zahlreiche Vorstösse mit diesen und ähnlichen Titeln im Parlament eingereicht. Vergebens. Weder hat sich an den steuerlichen Privilegien des Vereins etwas geändert, noch rissen die Korruptions- und Intransparenzvorwürfe ab.

Die Verhaftung sieben hochrangiger Fifa-Funktionäre im Fünfsternehotel Baur au Lac in Zürich könnte nun alles ändern. Die Bundesanwaltschaft hat am Mittwochmorgen mitgeteilt, sie habe rund um die Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 ein Strafverfahren eingeleitet. Für Schweizer Politiker ist klar: Nun braucht es nicht nur rechtliche, sondern auch politische Konsequenzen.

«Grauenhafte Halunken»

SVP-Nationalrat und Fifa-Kritiker Roland Rino Büchel (SVP) sagt: «Die Fifa und allen voran Präsident Sepp Blatter haben es in der Hand, jetzt zu handeln und bei den Funktionären auszumisten. Passiert dies nicht, wird die Politik auch vor harten Massnahmen nicht zurückschrecken.» Denkbar sei eine Abschaffung der Steuerprivilegien und des Vereinsrechts der Fifa. Büchel geht davon aus, dass diese Schritte nach den jüngsten Vorkommnissen im Parlament mehrheitsfähig werden könnten. «Man muss es auch mal klipp und klar sagen: Im Fifa-Vorstand sitzen immer noch grauenhafte Halunken.»

Auch SP-Nationalrat Cédric Wermuth sagt: «Dass die Fifa eine durch und durch korrupte Organisation ist, überrascht ja niemanden mehr. Wenn wir nichts unternehmen, werden sie einfach weitermauscheln.» Es sei bedenklich, dass eine Intervention der USA nötig gewesen sei, damit im Kampf gegen die Korruption etwas passiere. Nun brauche es dringend mehr Transparenz: «Es kann nicht sein, dass die Fifa als milliardenschwere Organisation die gleichen Rechnungslegungspflichten hat wie ein Jodlerverein aus dem Emmental.»

Korruptionsgesetz wird debattiert

Organisationen wie die Fifa hätten eine politische und kommerzielle Dimension, «für die wir sie in die Pflicht nehmen müssen». Da die Schweiz seit Jahren darauf warte, dass die Fifa aus eigener Motivation transparenter wird, brauche es nun ein Gesetz, das sie dazu zwinge, ihre Zahlen offenzulegen. Wermuth hofft insbesondere auf das Korruptionsgesetz, das in der bevorstehenden Sommersession im Ständerat debattiert wird. «Nach den jüngsten Ereignissen wäre es fahrlässig, das Gesetz nicht anzunehmen.» Mit der Verschärfung des Korruptionsstrafrechts soll die Bestechung in Zukunft auch geahndet werden, wenn sie nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Damit würden etwa auch Bestechungshandlungen bei Vergaben grosser Sportanlässe strafbar.

Für Büchel und Wermuth ist klar: Es steht nichts Geringeres als die Reputation der Schweiz auf dem Spiel. «Deshalb dulden wir nun keine Entschuldigungen mehr», sagt Büchel. Bisher habe die Fifa ihre Reformprozesse sehr gut verkauft – der aktuelle Skandal zeige jedoch, dass es noch viel mehr Anstrengung brauche. «Der Druck dazu muss aber auch von den nationalen Fussballverbänden und Sponsoren kommen.» Sie hätten die Möglichkeit, enormen Druck auf die Fifa auszuüben. Noch weiter geht die Organisation Transparency International: «Es braucht eine neue Führungselite, die den Fussball aus dem Offside der Korruptionsaffären spielen kann, deshalb fordern wir den Rücktritt des Präsidenten Sepp Blatter», sagt Sprecherin Christine Saxer.

Kann sich die Schweiz den «Piratenhafen» Fifa weiter leisten?

Nationalrat Wermuth fordert, dass die Korruption in einem weiteren Schritt auf internationaler Ebene angegangen wird. Die Schweiz als Standort der Fifa habe hier eine besondere Verantwortung: «Sie müsste auf internationaler Ebene – etwa bei der OECD – den Vorstoss machen, um eine internationale Regulierungsbehörde für Sportverbände zu schaffen.»

Der Basler Strafrechts- und Antikorruptionsexperte Mark Pieth sagt auf Anfrage, der aktuelle Vorfall sei für das Image der Schweiz nicht nur schlecht. «Die staatliche Justiz bekennt Farbe.» Allerdings müsse sich die Schweiz Gedanken machen, ob sie sich «diesen ‹Piratenhafen› weiter leisten kann».

Die Fifa – ein milliardenschwerer Verein

Der Weltfussballverband mit Sitz in Zürich ist nach Schweizer Recht ein nicht gewinnorientierter Verein. Damit zahlt die Organisation nur vier Prozent Steuern auf den Reingewinn, bei Unternehmen wären es acht Prozent. Im letzten Jahr versteuerte die Fifa 36,2 Millionen Dollar - bei einem Ertrag von über 5 Milliarden. Zudem sitzt die Fifa auf einem Berg von Kapital: 2015 wies sie Reserven im Wert von 1,5 Milliarden Dollar aus.

Als Verein geniesst die Fifa weitere Vorteile: Das Exekutivkomitee, das aus Funktionären der Landesverbände besteht, wird etwa massgeblich von Präsident Sepp Blatter beherrscht. Ein Kontrollorgan nach dem Muster eines Verwaltungsrats in Firmen ist nicht vorgeschrieben. Dasselbe bei den Ausschreibungen der Fussballturniere und deren Vermarktungsrechte: Nach welchen Kriterien diese vergeben werden, bleibt der Öffentlichkeit verschlossen. (pam)

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