Schweizer Schule macht trotz Ebola weiter

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LiberiaSchweizer Schule macht trotz Ebola weiter

Mitten im Ebola-Land Liberia steht eine Schweizer Schule. Im Interview erzählt der Schulleiter von der Panik unter den Kindern und wie sie gemeinsam dem tödlichen Virus trotzen.

T. Bircher
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T. Bircher

Henry Wolokolie, Sie sind Schulleiter an der Schweizer Schule Our School Liberia in der Nähe von Monrovia. Wie gehen Sie mit der Ebola-Krise in Ihrem Land um?

Ich halte mich an alle Hygienevorgaben der Gesundheitsbehörden und ermutige auch unsere Lehrer, diesen Empfehlungen zu folgen. Wenn jemand Symptome von Ebola zeigt, schicken wir ihn weg und raten ihm, sich sofort medizinisch behandeln zu lassen.

Wie funktioniert denn Ihre Schule jetzt?

In Liberia sind aufgrund der Ebola-Krise alle Schulen geschlossen worden. Um unseren Schülern trotzdem die Möglichkeit zu geben, weiterhin etwas zu lernen, haben wir ein Notfall-Programm entwickelt, das am 8. September begonnen hat. Einmal in der Woche kommen die Eltern unserer Schüler bei uns in der Schule vorbei und holen ein Paket mit Aufgaben, Übungen, Illustrationen, Notizen und Prüfungen ab. Die Kinder lösen diese zu Hause und geben sie ihren Eltern eine Woche später wieder mit. Die Lehrer, die weiterhin ihr Salär bekommen, benoten die Prüfungen und geben den Eltern wieder neuen Stoff mit. Wir waren die erste Schule mit diesem System, andere Schulen sind unserem Beispiel jetzt gefolgt.

Wie haben Sie Ihre Schüler über Ebola informiert? Was genau haben Sie ihnen gesagt?

Bevor die Schule geschlossen wurde, hatten wir jeden Morgen vor dem Unterricht eine Versammlung. Während dieser haben wir die Schüler über das Ebola-Virus und dessen Folgen informiert. Auch während dem Unterricht haben die Lehrer den Schülern die Krankheit genauer erklärt. Wir sagten ihnen, dass Ebola eine tödliche Krankheit ist und dass jeder, der sich damit infiziert, sterben kann. Wir sagten ihnen, sie müssten sich an die grundlegenden Hygiene-Abläufe halten und sich von Menschen fernhalten, die irgendwelche Symptome einer Infektion zeigten. Das ist sehr schwierig in einem Land wie Liberia, wo die Menschen alles tun würden, um sich um ihre Liebsten zu kümmern.

Die Kinder sind sich also bewusst, dass sie sterben können?

Ja, sie wissen, dass Ebola sie töten kann. Sie sind darüber gut informiert und versuchen auch alles zu unternehmen, damit sie sich nicht anstecken.

Haben sie Angst?

Angst? Sie reagieren panisch.

Wie zeigt sich das?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Tete Freeman ist eine sehr soziale und liebevolle Primarschülerin. Jeden Morgen hat sie uns mit einer Umarmung begrüsst. Eines Tages aber stand Tete weit weg von uns allen und wollte nicht näher kommen. Ich habe ihre Furcht richtig gespürt. Ich versuchte sie zu beruhigen, ihr zu erklären, dass hier keine Gefahr besteht. Doch Tete hatte schon zu viel über die Gefahren von Ebola gehört - sie wird nie wieder jemanden umarmen.

Wie würde ein Kind an Ihrer Schule Ebola erklären?

In einem einfachen Satz. Ich habe eine Primarschülerin gehört, wie sie zu ihren Freunden sagte: Ebola tötet.

Haben Sie denn schon Fälle von Ebola an ihrer Schule?

Nein, zum Glück nicht.

Wie lange glauben Sie, wird die Krise noch anhalten? Wann werden Sie Ihre Schule wieder öffnen können?

Die Gesundheitsexperten sagen, dass es noch sechs Monate dauern wird, bis die Situation unter Kontrolle ist.

Wieso konnte sich Ebola in Ihrem Land so schnell ausbreiten?

Wegen den Menschen und ihrem Verhalten, ihrer Einstellung, wegen traditionellen und kulturellen Bräuchen. Einige der Leute hier könnten genauso gut mit einem «Ist mir alles egal»-Schild rumlaufen, die kümmern sich schlicht nicht um die Hygiene-Vorgaben. Auch Begrüssungsbräuche wie Händeschütteln, Beerdigungsrituale und die Art und Weise, wie man hier die Kranken behandelt, haben zur schnellen Verbreitung von Ebola beigetragen. Ein anderer wichtiger Grund ist die Tatsache, dass man lange bestritten hat, dass es Ebola überhaupt gibt. Zu Beginn der Epidemie hat einer unserer Regierungsminister behauptet, die Gesundheitsbehörde habe diese Krankheit erfunden, um an unser Geld zu kommen. Die Regierung hat zu spät reagiert. Als sie endlich etwas unternahm, haben die Menschen sie nicht mehr ernst genommen. Die Bevölkerung misstraut der Regierung extrem, auch jetzt noch.

Trauen sich die Menschen denn überhaupt noch auf die Strasse?

Die Bewegungsfreiheit war am Anfang ein ernsthaftes Problem, mittlerweile bewegen sich die Menschen aber wieder normal auf der Strasse. Die wichtigste Entwicklung ist, dass die Leute Ebola akzeptieren und die Krankheit nicht mehr verleugnen. Die meisten versuchen sich an die Hygiene-Weisungen der Behörden zu halten. Jene, die sich jetzt noch anstecken, sind unvorsichtig, rücksichtslos, stur oder einfach nur dumm.

Haben die Menschen immer noch Angst, sich anzustecken?

Ja, davor haben wir alle grosse Angst. Ich bin überzeugt davon, dass dies ein neues Gesundheitsproblem sein könnte, über das niemand spricht. Ich beobachte immer wieder Menschen, die eine Art Phobie entwickelt haben, eine Art psychologische Störung.

Das heisst, die Menschen gehen sich auch aus dem Weg?

Ja, natürlich, das ist einer der Hauptmöglichkeiten, sich vor einer Ansteckung zu schützen. Wir schütteln uns die Hände nicht mehr, wenn wir uns begrüssen und wir halten Abstand voneinander, vor allem an öffentlichen Orten.

Welche Vorsichtsmassnahmen haben Sie zu Hause getroffen?

Jeder hat zu Hause eine Plastikschüssel unter seinem Wasserhahn befestigt. Darin ist eine Lösung aus Wasser, Chlor und anderen Mitteln, um sich die Hände zu waschen. Diese Waschstationen sind auch vor jedem Eingang zu öffentlichen Gebäuden aufgestellt: Banken, Regierungsgebäude, Büros und so weiter. Einige haben sogar ein Sofort-Temperatur-Messgerät integriert.

Was passiert, wenn die Krise überwunden ist?

Ich denke, dass der Mangel an psychologischer Betreuung für Krankenpfleger, Opfer, Überlebende, Verwandte und Familien von Verstorbenen, Ambulanzfahrer, Leichensammler und all jene, die mit dem Kampf gegen Ebola zu tun haben, zu einem grossen Problem werden wird. Die fehlende Betreuung dieser Menschen wird das Land schwer treffen, wenn die Ebola-Krise überwunden ist. Ambulanzfahrer und Leichensammler beispielsweise wurden nie instruiert, niemand hat ihnen erklärt, was für eine Art Arbeit da auf sie wartet. Diese vielen Leichen zu sehen, die alle gleichzeitig kremiert werden, kann schwere Folgen für die Psyche eines Menschen haben. Viele von ihnen ertränken ihre traumatischen Erlebnisse jetzt schon im Alkohol.

Our School Liberia

Hinter der School of Liberia steht die Schweizer Stiftung Liberia Renaissance Foundation. Sie wurde 2006 von der damals 23-jährigen Olivia Bräker gegründet und innert eineinhalb Jahren aufgebaut. Seit dem Frühling 2008 besuchen rund 180 Kinder die Schweizer Schule in Monrovia - vom Kindergarten bis zur 6. Primarschule. 2013 wurde zudem eine Oberschule eröffnet, die weiteren 80 Schülern Platz bietet. Die Liberia School unterstützt rund 35 liberianische Mitarbeiter vom Wachpersonal, über Küchenhilfe bis zu den Lehrern. Der Schulbetrieb wird vom Schweizer Stiftungsrat überwacht und betreut. Dessen Arbeit ist ehrenamtlich.

Die Stiftung habe keine Werbe- oder Verwaltungskosten, was wohl extrem selten sei für solche Hilfsorganisationen, sagt Stiftungsratsmitglied und Banker Marcel Eichmann. Alles Geld fliesse direkt in den Schulbetrieb vor Ort. Eichmann, der für die Spendengelder verantwortlich ist, hat jedes Jahr grosse Mühe, die notwendigen 250'000 Franken zusammen zu bekommen. Wer spenden möchte, kann dies hier tun:

Liberia Renaissance Foundation

Kto. Nummer 00200006.051001

IBAN CH89 0883 4200 0060 5100 1

Swift PHZZCHZ1XXX

BC 8834

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