Schweizer bewaffnen sich mit Elektroschockern

Aktualisiert

Konkurrenz zu PfefferspraySchweizer bewaffnen sich mit Elektroschockern

Bei Personenkontrollen findet die Polizei vermehrt Elektroschock-Geräte. Das Internet macht den Import einfach.

R. Landolt
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R. Landolt
In der Schweiz sind Elektroschockgeräte verboten. Laut Waffengesetz können sie die «Widerstandskraft von Menschen beeinträchtigen oder die Gesundheit auf Dauer schädigen».

In der Schweiz sind Elektroschockgeräte verboten. Laut Waffengesetz können sie die «Widerstandskraft von Menschen beeinträchtigen oder die Gesundheit auf Dauer schädigen».

Boris Roessler

«Ein zuverlässiger Elektroschocker, der in brenzligen Situationen ein deutlich höheres Gefühl von Sicherheit gibt» – so bewirbt ein deutscher Online-Händler das Modell «PTB 500'000 Volt Mini». Durch seine geringe Grösse passe er in jede Hosentasche. In nur vier bis fünf Sekunden bringe das Gerät einen Angreifer «durch Muskelkrämpfe zu Fall» und verursache «einen Schock für mehrere Minuten aufgrund sehr starker Nervenschmerzen».

Produkte wie dieses finden derzeit reissenden Absatz. Die Kölner Silvester-Übergriffe führten in vielen deutschen Waffengeschäften zu leeren Regalen. Bis zu 500'000 Volt Spannung entwickeln die Modelle, die in Deutschland ohne Waffenschein erhältlich sind. Ihr Stromstoss ist damit 50-mal stärker als der eines elektrischen Kuh-Zauns. In der Schweiz sind die Geräte verboten: Laut Waffengesetz können sie die «Widerstandskraft von Menschen beeinträchtigen oder die Gesundheit auf Dauer schädigen».

Doch auch hierzulande bewaffnen sich immer mehr Menschen mit Elektroschockern: «Bei Personenkontrollen stellen wir vermehrt Waffen wie Messer, Schlagringe und Elektroschock-Geräte sicher», sagt Dionys Widmer, Sprecher der Stadtpolizei St. Gallen.

Angst vor Übergriffen

Im Kanton St. Gallen wurden bis 2011 jährlich weniger als zehn Fälle mit Elektroschockern registriert, 2015 waren es bereits 24. Die St. Galler Grenzwache fand letztes Jahr gar 80 Geräte. Auch die Stadtpolizei Zürich stellte in den letzten zwei Jahren eine Zunahme fest, wie Sprecher Marco Cortesi sagt. Die meisten gäben an, sich selbst verteidigen zu wollen, falls etwas passiere. «Sie haben Angst vor Übergriffen und fühlen sich so sicherer.»

Der deutsche Händler sagt auf Anfrage, dass Elektroschocker bei Frauen wie Männer gefragt seien. Die Zürcher und die St.Galler Stadtpolizei finden sie hingegen primär bei Männern: «Frauen tragen eher die legalen Pfeffersprays», so Dionys Widmer. Hanspeter Krüsi, Sprecher der Kantonspolizei St.Gallen, sagt, zur Zunahme habe wohl auch der immer populärere Online-Handel stark beigetragen. «Im Netz ist fast alles zu haben», sagt auch Cortesi von der Stadtpolizei Zürich.

«Sie können Ihr Gerät in Deutschland oder Österreich abholen»

Elektroschocker sind übers Internet einfach zu beziehen: In einem Blog wird etwa darauf hingewiesen, dass Elektroschock-Geräte in der Schweiz illegal sind. «Solltest du dennoch einen kaufen wollen, kannst du das online machen.» Der angegebene Link führt zum Online-Händler Amazon. Dieser preist die Elektroschocker als «Viehtreiber» an – mit dem Hinweis, dass ein Versand in die Schweiz nicht möglich ist. Im Internet sind die günstigsten Produkte ab 40 Franken erhältlich.

Wie man dieses Hindernis umgehen kann, verrät ein Anruf beim deutschen Online-Händler: «Sie können selbstverständlich eine Adresse in Deutschland oder Österreich angeben und das Gerät dort abholen.» Einziges Problem: Auch bei ihm seien die Elektroschocker ausverkauft, «nur in Österreich sind noch ein paar erhältlich».

Welche Modelle bei Schweizern besonders beliebt sind, kann Cortesi von der Zürcher Stadtpolizei nicht sagen: «Es gibt zu viele unterschiedliche Modelle.» Er weiss aber, dass viele als Handy oder Taschenlampe getarnte Elektroschocker im Umlauf sind. Sicher ist, dass es sich bei den gefundenen Geräten «nicht um die Taser handelt, die die Polizei einsetzt und die einen mit einem Schuss vorübergehend ausser Gefecht setzen», so Widmer von der Stadtpolizei St.Gallen.

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