Gefährlicher EingriffSchweizer lassen sich die Augäpfel tätowieren
Augapfel-Tattoos haben die Schweiz erreicht. Doch Studios wie Ärzte warnen vor gravierenden Folgen des Körper-Kults.
Ihre Blicke sind pechschwarz, blutrot oder giftgrün — und das nicht nur an Halloween: Es sind Menschen, die ein Eyeball-Tattoo (dt. Augapfel-Tattoo) tragen. Bei dieser Form von Tätowierung wird mit einer Nadel Tinte in die Lederhaut, den weissen Teil des Auges, gespritzt. Mittlerweile haben die Tattoos, die vor allem in Australien, den USA und Brasilien verbreitet sind, auch in der Schweiz Anhänger gefunden.
Danny (siehe Box), Inhaber des Aargauer Tattoo- Piercing- und Body-Modification-Studios «Rock the Body», ist so weit ihm bekannt ist, der einzige Schweizer, der Augen tätowiert. Der Body Modification Artist bietet die Methode seit über einem Jahr an.«Ich habe schon mehrere Augen dieser Prozedur unterzogen und die Nachfrage steigt tendenziell an.» Zu seinen Kunden zählten nicht nur Freaks aus der Body-Modification-Szene. «Ich habe auch schon ganz normale Angestellte aus der IT-Branche tätowiert oder beraten.» Wo er sein Handwerk erlernt hat, will er nicht erzählen.
Augenarzt warnt vor Risiken
Trotz zunehmenden Anfragen von Kunden kommen Eyeball-Tattoos für andere Studios nicht infrage. Die gesundheitlichen Folgen seien nicht abschätzbar, sagt etwa Rosario Sorbello, Inhaber des Tattoo-und Piercing-Studios Innerfire. «Wir wollen nicht die Verantwortung übernehmen, wenn jemand einen massiven Schaden davonträgt.»
Auch der deutsche Augenarzt Daniel Neferu warnt: «Als eines der empfindlichsten Organe ist das Auge mit Sicherheit der falsche Ort für Tattoos.» Bindehautentzündungen seien vorprogrammiert. «Zudem besteht ein grosses Risiko, dass die Netzhaut beim Eingriff derart beschädigt wird und es deswegen zur Erblindung kommt.» Laut Neferu ist bereits die Tätowierflüssigkeit gefährlich. «Die Farbe kann allergische Reaktionen auslösen, die nicht mehr zu kontrollieren sind.»
«Viele finden es einfach schön und stylisch»
Danny von «Rock the Body» sind die Risiken bewusst. Er warnt vor unprofessionellen Künstlern. «Läuft etwas schief, kann es vorkommen, dass man nur noch die Farbe der Pigmente sieht.» Bei unsachgemässer Handhabung könne es durch einen Überschuss an Tinte zu einer Einfärbung der Tränensäcke kommen. «Das bedeutet, dass man permanente Augenringe in der entsprechenden Farbe hat.» Er greift ausschliesslich zu schwarzer Tinte. «Es gibt noch keine medizinalgeprüfte Farbe, bei der ich zum jetzigen Zeitpunkt sicher sein kann, dass sie für die Augen als gefahrlos gilt.»
Doch was treibt Menschen überhaupt dazu, ihre Augen einzufärben? «Manche wollen auffallen und provozieren», sagt Danny. «Ein dunkeläugiger Kunde findet es toll, dass die Menschen durch seinen komplett dunklen Blick nicht mehr wissen, wohin er schaut, wenn sie mit ihm reden.» Viele fänden es aber auch einfach schön und stylisch.
Auffallen um jeden Preis
Psychologen sehen dahinter mehr als ein Körperkult. «Die Träger solcher Tattoos müssen Menschen sein, die sich selbst nicht mehr richtig wahrnehmen, aber zwingend auffallen wollen», vermutet Psychologe Thomas Steiner. Durch die sozialen Medien, in denen sich jeder inszenieren könne, herrsche ein Gerangel um Aufmerksamkeit. «Derart auffälligen Augen kann sich aber niemand mehr entziehen. Damit erhält der Träger endlich und zu 100 Prozent die ihm entgangene Aufmerksamkeit.»
Imageberater raten von Augapfel-Tattoos ab. In vielen Berufen würden solche Tattoos anstössig wirken, sagt Stilexpertin Gabriela Huther. Auch seien sie im privaten Alltag etwa beim Einkaufen nicht empfehlenswert: «Da der Augenkontakt in der Kommunikation entscheidend ist, kann ein solch fremdartiger Anblick auf andere Leute erschreckend wirken.»
Nach fünf Minuten ist das Auge tätowiert
Laut Danny, Inhaber des Aargauer Tattoo- Piercing- und Body-Modification-Studios «Rock the Body», dauert der Eingriff rund fünf Minuten. Schmerzen spürten die Kunden fast keine. «Es brennt nur etwas, wenn sich die Farbe im Auge verteilt.»
Danny sagt, er habe sich über Jahre intensiv mit dieser Materie befasst und sich auch mit Augenärzten ausgetauscht, bevor er den ersten Kunden behandelt habe. Die Augapfel-Tattoos führt er nur bei mindestens 21-jährigen Kunden durch. «Vorher kläre ich sie in einem ausführlichen Gespräch über die Risiken auf.» Merke er, dass sich die Kunden mit dem Wunsch nicht eingehend befasst hätten, weigere er sich, den Eingriff durchzuführen.