Nepal und SyrienSchweizer spenden rekordverdächtig viel
Im Krisenjahr 2015 zeigen sich Schweizer spendabel. Viele Hilfswerke berichten von übertroffenen Spendenzielen. Es dürfte ein neuer Rekord erreicht werden.
1,7 Milliarden Franken haben die Schweizer letztes Jahr gespendet, und dieses Jahr dürften es noch mehr werden. «Das Jahr war überaus erfreulich. Wir haben viel mehr Spenden entgegennehmen können, als wir budgetiert hatten», sagt etwa Beat Wagner vom Schweizerischen Roten Kreuz gegenüber Radio SRF.
Andere Organisationen wie WWF oder Caritas bilanzieren gleich. Martina Ziegerer von der Stiftung Zewo, die Hilfswerke zertifiziert, bestätigt auf Anfrage von 20 Minuten: «Ich höre von verschiedenen Organisationen mit Zewo-Gütesiegel, dass sie ihr Spendenziel übertroffen oder zumindest erreicht haben.» Die Solidarität mit den Opfern des Erdbebens in Nepal und mit den Flüchtlingen, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien fliehen, sei in der Bevölkerung gross.
Bei der Glückskette gingen für die beiden Sammlungen «Syrien» und «Flüchtlinge» jeweils rund 25 Millionen ein, für das Erdbeben in Nepal wurden 32 Millionen Franken gesammelt. «Wir sammeln für die Opfer des Bürgerkriegs in Syrien schon seit 2012, doch jetzt, wo das Thema durch die Bilder der verzweifelten syrischen Flüchtlinge auf der Balkanroute näher an die Menschen herangetragen wird, wird mehr gespendet», sagt Priska Spörri von der Glückskette. Die Spendenausgaben steigen in der Schweiz bereits seit Jahren an. So betrug der Gesamtbetrag der Spenden in der Schweiz 2003 noch rund eine Milliarde.
Christliche Selbstlosigkeit vor Weihnachten
Besonders viel spenden die Schweizer in der Vorweihnachtszeit, wenn Hilfsorganisationen Briefe verschicken und die Aktion «Jeder Rappen zählt» läuft. Diese Spendenfreudigkeit im Advent begründet Jörg Rössel, Professor für Soziologie an der Universität Zürich, mit der christlichen Tradition. «In der Weihnachtszeit begehen die Menschen feierlich die Erinnerung an Jesu Geburt, der sich für die Menschen geopfert hat. Dies ist ein besonders ausgeprägtes Symbol, welches in unserem Kulturkreis dazu anhält, zur Weihnachtszeit selbst Opfer zu bringen und sich selbstlos zu verhalten.»
Für Rössel gibt es verschiedene Faktoren, die das Spendeverhalten der Schweizer beeinflussen. So sei die mediale Sichtbarkeit wichtig. «Jeden Tag sterben zum Beispiel Arbeiter in Minen, doch gespendet wird meist nur bei einem grossen Minenunglück.»
«Wer hat, kann auch geben»
Die steigende Spendenbereitschaft habe aber auch mit dem gestiegenen Wohlstandsniveau zu tun. «Wohlstand bringt erst die Möglichkeit zu spenden.» Auch Priska Spörri von der Glückskette sagt: «Wer hat, kann auch geben. Wir beobachten, dass Private mehr spenden, Firmen und Organisationen hingegen weniger.»
Rössel spricht von einem Gefühl der Verantwortung: «Einige Menschen stellen sich die Frage, ob Menschen in anderen Ländern arm sind, weil wir so reich sind, und sehen sich deshalb in der Verantwortung. Andere finden einfach, dass sie durch ihre privilegierte Lage verpflichtet sind, weniger wohlhabenden Menschen zu helfen.»