«Zwischen 20 und 32»Schweizerinnen sollen früher Kinder bekommen
Dänische Schüler sollen künftig lernen, wann der ideale Zeitpunkt ist, um eine Familie zu gründen. Politiker und Gynäkologen sehen auch in der Schweiz Handlungsbedarf.

Ärzte und Politiker plädieren dafür, den Schweizern die Vorteile einer frühen Mutterschaft zu vermitteln.
Kondom, Pille, Spirale: Wenn Teenager in der Schule aufgeklärt werden, geht es vor allem darum, wie ungewollte Schwangerschaften verhindert werden können. In Dänemark soll sich das nun ändern: Da die Frauen immer später Mütter werden und weniger Kinder bekommen, sollen die Schulen einen weiteren Fokus in den Lehrplan aufnehmen. Wie die «Aargauer Zeitung» berichtet, sollen die Schüler dafür sensibilisiert werden, wann der ideale Zeitpunkt ist, um schwanger zu werden.
Jungen Dänen fehle das Wissen über Fruchtbarkeit, so die Begründung. Viele Paare seien überrascht, wie schnell die Chance, ein Baby zu bekommen, mit dem Alter abnehme. Ärzte in Dänemark bezeichnen die zunehmende Kinderlosigkeit in der Bevölkerung bereits als «Volkskrankheit». Auch in der Schweiz hat die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau in den letzten Jahren stark abgenommen – von 2,04 im Jahr 1971 auf 1,52 im Jahr 2013. Ist also auch in unseren Schulzimmern ein Umdenken nötig?
«Besser als Eizellen einfrieren»
Ja, findet Brigitte Häberli-Koller (CVP), Vize-Präsidentin der ständerätlichen Bildungskommission: «Eigentlich müsste es selbstverständlich sein, dass im Rahmen der Sexualkunde nicht nur über Verhütung, sondern – auf altersgerechte Art und Weise – auch über die Familienplanung gesprochen wird.» Die Biologie des Menschen habe «gewisse Gesetzmässigkeiten», dies müssten die Jugendlichen wissen.
Auch Nationalrätin Aline Trede (Grüne) sagt: «Es ist ein komischer Ansatz, nur darüber zu sprechen, wie man keine Kinder bekommt.» Sie bedaure es, dass es zunehmend einen gesellschaftlichen Druck gebe, das Kinderkriegen auf einen möglichst späten Zeitpunkt zu verschieben. Bisheriger Höhepunkt dieser Entwicklung sei aus ihrer Sicht das sogenannte Social Freezing, bei dem Firmen ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren von Eizellen bezahlen. Trede plädiert deshalb ebenfalls dafür, dass die Jugendlichen früh an der gesellschaftspolitischen Diskussion teilnehmen können.
Laut Beat Zemp, Präsident des Schweizerischen Lehrerverbandes, ist jedoch kein solcher Fokus geplant. «Auch der neue Lehrplan 21 sieht vor, dass im Sexualkundeunterricht in erster Linie über den Schutz vor ansteckenden Krankheiten und Teenagerschwangerschaften gesprochen wird.» Diese Ausrichtung halte er für sinnvoll. Wenn Schülerinnen spezifische Fragen zum Thema Fruchtbarkeit hätten, würden Lehrpersonen diese beantworten. Primar- und Sekschüler seien aber noch zu wenig reif, um sich im Detail mit dem Thema Familienplanung auseinanderzusetzen.Das sei Sache der beratenden Ärzte und letztlich der Paare selber, die einen Kinderwunsch haben.
«Leistungsoptimum zwischen 20 und 32»
Roland Zimmermann, Direktor der Klinik für Geburtshilfe am Unispital Zürich, bestätigt: «13- bis 15-jährige Teenager sind noch so stark mit sich selber beschäftigt, dass die Botschaft bei ihnen wohl noch nicht hängen bliebe.» Allerdings erfüllt es ihn mit Sorge, dass die Schweizerinnen immer später Kinder bekommen. Wie er auf Anfrage sagt, wird seine Klinik ab Ende Woche deshalb eine Broschüre verteilen, die junge Frauen dazu ermutigen soll, früh an die Familienplanung zu denken.
«Sportler haben ihr Leistungsoptimum zwischen 20 und 32. Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass das im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft anders sein soll. Es hat deshalb grosse Vorteile, Kinder früh im Leben einer Frau einzuplanen», heisst es im Prospekt, der 20 Minuten vorliegt. Frauen, die spät Kinder hätten, würden dagegen «möglicherweise gar nicht mehr spontan schwanger» und benötigten die Hilfe der Reproduktionsmedizin.
Zudem könne es zu zahlreichen Komplikationen kommen. Während bei den 20-Jährigen eines von 1500 Kindern Trisomie 21 habe, sei es bei den 40-Jährigen jedes hundertste Kind. Zimmermann hofft deshalb, dass möglichst viele Frauenärzte die Broschüre verteilen werden. Berufskollegen stimmen ihm zu. Es sei erstaunlich, wie wenig sich gewisse Paare bewusst seien, dass die Fruchtbarkeit von Frauen endlich ist, so der Tenor.
«Ist und bleibt Privatsache»
Nichts wissen von der ganzen Diskussion will SVP-Bildungspolitiker Felix Müri: «Heute hat sich alles etwas nach hinten verschoben: Wir sind länger fit und arbeiten länger.» Es sei deshalb nur logisch, wenn die Menschen auch etwas später Kinder hätten. Auf keinen Fall dürfe sich der Staat in die Diskussion einmischen. «Manche haben früher Kinder und manche später – das ist und bleibt Privatsache.»
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