«Zwölf Stämme»Sektenkinder an Deutschland ausgeliefert
Nach der Razzia bei der bayrischen Sekte «Zwölf Stämme» wurden zwei Kinder von Mitgliedern in der Schweiz versteckt. Nun befasst sich das Bundesgericht mit dem Fall.
Die Sekte «Zwölf Stämme» hat keinen guten Ruf. Ein RTL-Journalist schleuste sich vergangenes Jahr in die Gemeinschaft ein und dokumentierte, wie die Kinder der Mitglieder mit Stöcken geschlagen werden. Nach der Veröffentlichung der Videoaufnahmen leiteten die deutschen Behörden deshalb eine Razzia ein und befreiten 40 Kinder. Um ihren Nachwuchs vor der Justiz zu verstecken, brachten einige Mitglieder ihre Sprösslinge ins Ausland. Zwei von ihnen - 17- und 10-jährig - fanden Zuflucht in der Schweiz. Die deutschen Behörden appellierten deshalb an die Schweiz, die Kinder auszuliefern, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt.
Zuständig für den Fall war die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Oberaargau BE. Diese kam der Aufforderung nach und liess die Kinder sofort ausliefern, ohne vorher die Eltern anzuhören. Doch das wollten sie sich nicht gefallen lassen. «Schreiend und zitternd» seien die Kinder aus dem Haus der Grossmutter getragen worden, berichtet der Vater der «Süddeutschen Zeitung». Die 17-jährige Tochter habe sich gar mit einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel gewandt und die Aktion als «brutalen und aggressiven Eingriff ins Privatleben» bezeichnet.
Bundesgericht setzt Entscheid aus
Die Eltern der Kinder gingen schliesslich einen Schritt weiter und wandten sich ans Berner Obergericht. Dieses trat jedoch nicht auf die Beschwerde ein, weshalb die Kläger ihr Anliegen vors Bundesgericht brachten. Doch auch dieses trat gestern nicht auf die Beschwerde ein. Der Grund: Zuerst müsse ein ordentliches Verfahren eingeleitet werden, in dem die Eltern angehört werden. Für die Kinder sei man allerdings gemäss dem Haager Kindesschutzübereinkommen nicht zuständig.
Trotzdem steht fest, dass eines der Kinder wieder zu den Eltern in die Schweiz zurückkehren darf. Denn die damals 17-jährige Tochter ist bald volljährig. Was mit dem zweiten Kind geschieht, wird sich zeigen, sobald das ordentliche Verfahren eingeleitet wird.
Die Sekte «Zwölf Stämme» begründet die körperliche Züchtigung mit der Bibel. Regelmässig werden Kinder verprügelt, selbst wenn sie spielen wollen. Die Schläge stammen nicht nur von den eigenen Eltern, alle Mitglieder sind berechtigt, Kinder zu züchtigen, wenn sie es für angebracht halten.