UmfrageSogar die SVP-Basis ist für die Homo-Ehe
Bei den Wählern von CVP und SVP sind die Gegner der Ehe für alle in der Minderheit. Laut Parteivertretern findet ein Umdenken statt.
Der Stadtzürcher SVP-Gemeinderat Daniel Regli sorgte diese Woche für Empörung: In der Budget-Debatte zog er über Homosexuelle her und erklärte die Suizidrate unter anderem damit, dass «der Analmuskel nicht mehr hält, was er verspricht».
Mit seiner Äusserung dürfte er bei der eigenen Basis allerdings kaum punkten: So sprechen sich laut der Tamedia-Themenumfrage 56 Prozent der SVP-Wähler für die Ehe für alle aus. Davon sind knapp 30 Prozent auch bereit, gleichgeschlechtlichen Paaren ein umfassendes Adoptionsrecht einzuräumen. Noch deutlicher unterstützen die Wähler der anderen grösseren Parteien die Homo-Ehe. Selbst 66 Prozent der CVP-Wähler sind dafür, dass Schwule und Lesben heiraten dürfen (siehe Grafik).
«In der Partei hat ein Umdenken stattgefunden»
Beat Feurer, Präsident der Gay SVP, ist erfreut über das Resultat. Er stellt fest, dass in der Basis, aber auch in der Partei in den letzten Jahren ein Umdenken stattgefunden habe. «Spezielle Ansichten wie jene von Herrn Regli habe ich in der Partei noch nie gehört.» Seit acht Jahren sei er wegen seiner Homosexualität in der Partei nie mehr angefeindet worden.
Wichtig sei aus Sicht der Homosexuellen, dass sie wie heterosexuelle Paare Kinder adoptieren können und dass ausländische Partner ebenfalls von der erleichterten Einbürgerung profitieren können. Laut Feurer ist es nur noch eine Frage von wenigen Jahren, nicht Jahrzehnten, bis diese Neuerungen auch in der Schweiz kommen – mit oder ohne offizielle Unterstützung der SVP. Derzeit erarbeitet die Verwaltung ein Gutachten, das Klarheit über die nötigen Gesetzesanpassungen für die Ehe für alle gibt.
Widerstand beim Adoptionsrecht
SVP-Präsident Albert Rösti betont, seine Partei politisiere bei Schwulenthemen nicht an der Basis vorbei: «Die SVP ist seit jeher eine Partei, die die Freiheit des Individuums hochhält.» Jeder solle leben, wie er möchte. «Die Meinung vertreten gerade die Jüngeren in der Partei.» Ein Wandel habe nicht speziell in der SVP, sondern generell in der Gesellschaft stattgefunden. Nach wie vor skeptisch sei seine Partei – wie auch die Wählerschaft – beim Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. «Hier geht es um das Kindeswohl.»
Ganz ähnlich klingt es bei der CVP: «Die CDU in Deutschland hat bei der Schwulenehe auch mitgemacht. Die Gesellschaft ist toleranter geworden – so auch die CVP-Basis», sagt Nationalrätin Kathy Riklin. In der CVP gebe es vor allem noch in den katholischen Stammlanden Vorbehalte. Persönlich sei sie der Meinung, dass die eingetragene Partnerschaft eigentlich eine gute Lösung ist.
«Konservative Parteien können sich Trend nicht entziehen»
René Schegg, Geschäftsleiter der Schwulenorganisation Pink Cross, sagt: «Schon die eingetragene Partnerschaft wurde klar angenommen. Seither hat sich die Gesellschaft weiter geöffnet.» Es sei erfreulich, dass immer weniger akzeptiert werde, sich offen gegen eine Gleichstellung Homosexueller zu positionieren. Dem könnten sich auch die konservativen Parteien und ihre Anhänger nicht entziehen.
«Viele haben heute Homosexuelle im näheren Umfeld, was die Vorurteile schwinden lässt», sagt Schegg. Zudem ermögliche die Säkularisierung eine undogmatische Beschäftigung mit dem Thema. Die Ehe für alle sei wichtig, weil je unterschiedliche Rechtsinstitute für hetero- und homosexuelle Paare dem Gedanken der Gleichstellung widerspreche. «Die Umfrage stimmt mich zuversichtlich, dass die Ehe für alle bald kommt.»
Die Umfrage von Tamedia
17'143 Personen aus der ganzen Schweiz nahmen am 5. und 6. Dezember online an der Tamedia-Umfrage teil. Sie wurde in Zusammenarbeit mit der LeeWas GmbH der Politologen Lucas Leemann und Fabio Wasserfallen durchgeführt. Sie gewichteten die Daten nach demografischen, geografischen und politischen Variablen. Der Fehlerbereich liegt bei 1,1 Prozentpunkten. www.tamedia.ch/umfragen