Sind die Regeln streng, finden Ausländer eher Job

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Integrations-VergleichSind die Regeln streng, finden Ausländer eher Job

Eine Untersuchung zeigt: Je liberaler die Integrationspolitik eines Kantons ist, desto weniger sind Migranten in der Schule benachteiligt. Dafür haben sie mehr Mühe auf dem Arbeitsmarkt.

Antonio Fumagalli
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Antonio Fumagalli

Frau Manatschal, Sie haben sich in Ihrer Dissertation mit der Integration von Ausländern befasst. Gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Schweizer Kantonen?

Absolut. Der vielzitierte Röstigraben ist auch in Bezug auf die Integrationspolitik klar feststellbar. Welsche Kantone sind liberaler, Deutschschweizer Kantone restriktiver, also eher auf Assimilation ausgerichtet. Das Tessin ist ziemlich genau in der Mitte.

Was heisst dies konkret? Anhand von welchen Faktoren kommen Sie zu diesem Schluss?

Ich habe eine Vielzahl von Indikatoren berücksichtigt, zum Beispiel die Einbürgerungspolitik, die politischen Mitspracherechte, die Regelungen zum Familiennachzug, aber auch Zugeständnisse gegenüber religiösen Minderheiten wie zum Beispiel muslimische Friedhöfe. Die Unterschiede zwischen den Kantonen sind in vielen Punkten gross: Zum Zeitpunkt meiner Recherche musste man in Nidwalden zwölf Jahre im Kanton gelebt haben, um ein Einbürgerungsgesuch stellen zu können, in Genf gerade mal zwei Jahre.

Kann man sagen: Je rechter ein Kanton, desto restriktiver seine Integrationspolitik?

Das Aufkommen von radikalen rechten Parteien hat diesbezüglich keine Veränderung bewirkt – was erstaunlich ist, weil Untersuchungen im Ausland gerade dieses Ergebnis ergeben haben. Viel eher ist die Stärke von linken Parteien nachweisbar. Wo die SP stark ist, herrscht in der Regel eine liberalere Integrationspolitik. Die verschiedenen Sprachregionen sind zudem stark von den Staatsbürgerschaftsverständnissen der umliegenden Länder geprägt, die Westschweiz zum Beispiel vom französischen «Ius soli», bei dem man bei der Geburt im Land automatisch die Staatsbürgerschaft erhält.

Welches Integrationsmodell ist erfolgreicher?

Das kann man so nicht beantworten. Es kommt auf die Faktoren an, die man untersucht. Nehmen wir die schulische Leistung: In liberaleren Kantonen wird diese weniger vom Bildungsstand der Eltern beeinflusst, Migrantenkinder können sich dort also freier gemäss ihren eigenen Fähigkeiten entwickeln. Anders sieht es auf dem Arbeitsmarkt aus: In restriktiven Kantonen ist die Arbeitslosigkeit von Migranten tiefer.

Wie ist es zu erklären, dass sich bessere schulische Leistungen also nicht in bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt ummünzen?

Dieser Eindruck drängt sich auf, den Zusammenhang habe ich aber nicht genauer untersucht. Basierend auf meinen Untersuchungen kann man aber sagen, dass Politiken, welche die sprachliche und kulturelle Anpassung betonen, Immigranten unter Druck setzen, sich Sprachkenntnisse anzueignen und sich sozial zu vernetzen. Dies kann wiederum ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöhen.

Wie wichtig ist für den einzelnen Migranten das politische Mitspracherecht?

Es ist sicher wichtig für das Selbstverständnis. Auch hier gibt es aber eine auf den ersten Blick erstaunliche Erkenntnis: In Kantonen mit weniger Mitspracherecht engagieren sich Migranten eher freiwillig, zum Beispiel in Vereinen. Wer bereits politische Mitsprache hat, dürfte ein weniger starkes Bedürfnis haben, sich auch noch in einer Gewerkschaft zu engagieren. Aber auch da muss man natürlich wiederum die kulturellen Unterschiede zwischen den verschiedenen Sprachregionen berücksichtigen.

Wie beurteilen Sie alles in allem die Integration von Ausländern in der Schweiz?

Integration ist ein vielschichtiger Prozess, der einfache und pauschale Antworten nicht zulässt. Ich würde aber sagen, dass sich die schweizerische Strategie mit der Vielzahl von involvierten Akteuren bewährt hat.

* Dr. Anita Manatschal ist Politikwissenschafterin an der Universität Bern. Für ihre Doktorarbeit hat sie die Integrationspolitik der Schweizer Kantone untersucht.

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