So trickste Blocher Burkhalter aus

Aktualisiert

«Kein Beitritt»So trickste Blocher Burkhalter aus

Aussenminister Burkhalter gibt sich selber den Auftrag, in Brüssel klarzumachen, dass die Schweiz keinen EU-Beitritt will. Dahinter steckt ein geschickter Schachzug der SVP.

Simon Hehli
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Simon Hehli
Didier Burkhalter (links) im Gespräch mit Christoph Blocher. Dieser hat den Aussenminister geschickt in eine schwierige Situation manövriert.

Didier Burkhalter (links) im Gespräch mit Christoph Blocher. Dieser hat den Aussenminister geschickt in eine schwierige Situation manövriert.

Wenige Wochen nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative will der Bundesrat gegenüber der EU offenbar für klare Verhältnisse sorgen: Er spricht sich für einen entsprechenden Vorstoss der SVP aus. Darin wird der Bundesrat erstens beauftragt, der EU «unmissverständlich darzulegen, dass die Schweiz ein von der EU unabhängiger Staat ist». Die Schweiz wolle der EU weder auf direktem noch auf indirektem weg beitreten.

Zweitens: Die Schweiz sei nicht Mitglied des europäischen Binnenmarktes und habe auch nicht die Absicht, dies zu werden. Drittens werde sich die Schweiz nicht verpflichten, EU-Recht automatisch zu übernehmen. Und viertens soll das Gesuch der Schweiz zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen aus dem Jahr 1992 für gegenstandslos erklärt werden.

Bundesrat redet um heissen Brei herum

Für diese vier Forderungen der SVP hatte sich die aussenpolitische Kommission des Nationalrates bereits im Oktober 2013 ausgesprochen. Es ging bei der damaligen Sitzung um Verhandlungen mit der EU über die Weiterentwicklung des bilateralen Wegs. Der anwesende Didier Burkhalter signalisierte Zustimmung zu den vier Punkten. Für SVP-Patron Christoph Blocher war das grundsätzliche Okay des Aussenministers jedoch zu unverbindlich, weshalb er mit der nun beantworteten Motion Druck aufsetzte.

In seiner Stellungnahme geht der Bundesrat nicht konkret auf die vier Punkte ein, schreibt jedoch, die von der Kommission verlangten Präzisierungen deckten sich mit seiner eigenen Haltung. Blocher sagt gegenüber 20 Minuten, der Bundesrat rede in seiner Antwort zwar schleierhaft von etwas anderem als von seinen Forderungen. «Entscheidend ist aber, dass er die Annahme der Motion empfiehlt.»

«Endlich Klarheit schaffen»

Bundesrat und Verwaltung hätten Brüssel jahrelang im Glauben gelassen, die Schweiz wolle der EU beitreten, so Blocher. «Deshalb ist es jetzt so wichtig, dass Burkhalter ein für allemal Klarheit schafft und sagt: Nein, die Schweiz will nicht in die EU.»

Bürgerliche Gegner eines EU-Beitritt hegen den Verdacht, dass der Bundesrat insgeheim genau dieses Ziel verfolge. In der aktuellen Ausgabe der «Weltwoche» schreibt Chefredaktor Roger Köppel, die vier Punkte des Vorstosses widersprächen zum Teil diametral Burkhalters Europapolitik. «Kann ein einzelner Politiker so gelenkig sein?», fragt sich deshalb Köppel – noch ohne Kenntnis der Antwort des Bundesrates.

Blochers «frecher» Schachzug

Ein freisinniger Parteikollege von Burkhalter sagt hinter vorgehaltener Hand, es sei sicher keine Herzensangelegenheit des Aussenministers, den Nicht-Beitritt in Brüssel erklären zu müssen. Dieser habe sich aber von der SVP in eine blöde Situation manövrieren lassen

In der Kommissionssitzung im Herbst habe er den SVP-Forderungen etwas nonchalant zugestimmt, in der – vergeblichen – Hoffnung, die Rechtspartei würde sich dafür bei der Weiterentwicklung des bilateralen Wegs kompromissbereit zeigen. «Um Burkhalter nicht zu desavouieren, musste der Bundesrat deshalb nun der Motion zustimmen.» Blochers Vorgehen sei ganz schön frech.

Europapolitische Gretchenfrage

Blocher selber ist gespannt, wie das Parlament mit seiner Motion verfahren wird. Alle müssten nun Farbe bekennen, so Blocher: Wer den Vorstoss ablehne, wolle in die EU. «Die Motion stellt dem Parlament die europapolitische Gretchenfrage.»

FDP-Nationalrätin Christa Markwalder macht als Präsidentin der Neuen Europäischen Bewegung Schweiz keinen Hehl daraus, dass sie für einen EU-Beitritt ist. Sie kündigt denn auch an, die Motion bekämpfen zu wollen. Die SVP selber habe diese durch das Volks-Ja zur Masseneinwanderungsinitiative überflüssig gemacht, sagt die Bernerin: «Eine institutionelle Weiterentwicklung des bilateralen Wegs ist für die EU vorerst sowieso kein Thema mehr.»

«Dummes Geschwätz von Blocher»

Wenig Begeisterung für die Motion zeigt auch der grüne Aussenpolitiker Geri Müller. Dass Brüssel glaube, die Schweiz wolle unbedingt Mitglied werden, sei «dummes Geschwätz» von Blocher. Es sei absurd, in Brüssel erklären zu müssen, was eh schon offensichtlich sei. Aber so funktioniere eben die Demagogie à la SVP: «Probleme angehen, die nicht lösbar sind, und Sachen sagen, die eh schon klar sind – so kann man immer gewinnen.»

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