Staatliche Bespitzelung nimmt zu

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Über 14'000 ÜberwachungenStaatliche Bespitzelung nimmt zu

Die Anzahl der staatlichen Überwachungen in der Schweiz ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Mit dem neuen Nachrichtendienstgesetz dürfte diese Entwicklung weitergehen.

Florian Meier
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Florian Meier
Staatliche Überwachungen, wie beispielsweise das Abhören von Telefonaten, nehmen laufend zu.

Staatliche Überwachungen, wie beispielsweise das Abhören von Telefonaten, nehmen laufend zu.

Telefonate abhören, E-Mails mitlesen oder Briefe abfangen: Die Möglichkeiten, die dem Staat zur Überwachung von potentiellen Verbrechern zur Verfügung stehen, sind vielfältig. Und sie werden auch immer mehr genutzt. Im Jahr 2014 wurden schweizweit über 14'000 Überwachungen durchgeführt. 2006 waren es noch lediglich etwas mehr als 8'000. Das geht aus einem neuen Bericht der Digitalen Gesellschaft Schweiz hervor. Am häufigsten werden Überwachungen wegen Betäubungsmitteldelikten (32.5%) und Vermögensdelikten (23.2%) durchgeführt. Die Kosten belaufen sich auf über 14 Millionen Franken pro Jahr. Am meisten geschnüffelt wird im Kanton Genf (44 Überwachungen pro 10'000 Personen), am wenigsten im Kanton Uri (0.3 Überwachungen pro 10'000 Personen).

Für Norbert Bollow, Mediensprecher der Digitalen Gesellschaft Schweiz, ist diese Entwicklung eine «absolute Katastrophe». Vor allem komme es immer mehr vor, dass Leute überwacht würden, die keine schweren Verbrecher seien. «Die Anzahl Überwachungen ist im Vergleich zu den Straftaten überdurchschnittlich gestiegen.» Das zeige, dass heute schon ein kleiner Verdacht ausreicht, um eine Überwachung anzuordnen. «Nur weil jemand einmal mit einem Säckchen Gras erwischt wird, ist er doch noch lange kein Drogendealer.»

«Nachrichtendienstgesetz wird das Problem noch verschärfen»

Ein weiteres Problem sieht Bollow in der vermehrten Nutzung von Antennensuchläufen. Diese Technik wird vor allem bei riskanten Fussballspielen oder Demonstrationen angewandt. Dabei kann anhand von Handydaten ermittelt werden, welche Personen sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort befinden. «Durch den technischen Fortschritt sind solche Überwachungen heute viel einfacher als früher.» Langfristig könne das dazu führen, dass wir immer und überall auf Schritt und Tritt verfolgt werden.

So steht Bollow auch dem neuen Nachrichtendienstgesetz, das in dieser Session im Parlament diskutiert wird, sehr kritisch gegenüber. Die Vorlage soll es dem Nachrichtendienst künftig erlauben, im Kampf gegen den Terrorismus einfacher Leute zu überwachen, beispielsweise durch den Einsatz von Staatstrojanern. «Dieses Gesetz wird die Anzahl der Überwachungen nochmals stark in die Höhe treiben.»

Überwachungen kosten Millionen

Derzeit befasst sich der Nationalrat mit der Vorlage. Unterstützung bekommt sie dort von Corina Eichenberger (FDP, AG). «Die Bedrohungslage in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren geändert.» Es sei deshalb wichtig, dass die Politik darauf reagiert. Ausserdem werde eine staatliche Überwachung ja auch nur bei erhärtetem Verdacht auf eine schwere Straftat durchgeführt. «Jedes Gesuch muss von der zuständigen gerichtlichen Instanz überprüft und genehmigt werden.» Deshalb sei es natürlich enorm wichtig, dass diese Behörden sauber und korrekt arbeiten. «Ich habe aber volles Vertrauen, dass dies auch regelmässig geschieht.»

Anders sieht das Aline Trede (Grüne, BE). «Einfach den Behörden zu vertrauen, ist sicher der falsche Weg.» Es werde ja heute schon viel zu viel überwacht. «Ich sehe deshalb nicht ein, warum wir dem Staat jetzt noch weitere Möglichkeiten geben sollten.» Ausserdem könne das investierte Geld besser genutzt werden. «Diese Millionen würden besser für präventive Zwecke investiert werden.»

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