Star-Ökonom warnt vor Schweizer Steuerreform

Publiziert

Heiner FlassbeckStar-Ökonom warnt vor Schweizer Steuerreform

Die Gegner der USR III erhalten gewichtige Unterstützung aus Deutschland. Ein hiesiger Ökonom kontert.

von
J. Büchi
Der Deutsche Heiner Flassbeck war Chef-Volkswirt bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung in Genf. Zudem beriet er den damaligen deutschen Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine beim Vorhaben, das Weltwährungssystem zu reformieren.
«Die geplanten Steuererleichterungen bringen die Schweizer Volkswirtschaft an den Abgrund», sagt Flassbeck über die USR III. Er hatte für die SP eine Studie zur Zukunft des Schweizer Wirtschaftsmodells verfasst.
Diametral anderer Meinung ist Christoph A. Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie an den Universitäten St. Gallen und Luzern. Zwar könne man nicht mit Gewissheit sagen, was passieren würde, wenn die Reform abgelehnt würde. «Es wäre aber sehr riskant und verantwortungslos, nun einfach die Hände in den Schoss zu legen und abzuwarten.»
1 / 9

Der Deutsche Heiner Flassbeck war Chef-Volkswirt bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung in Genf. Zudem beriet er den damaligen deutschen Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine beim Vorhaben, das Weltwährungssystem zu reformieren.

Keystone/Martial Trezzini

Viele Stimmbürger tun sich schwer, sich bei der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III für eine Position zu entscheiden. Kein Wunder: Die Vorlage ist komplex und durch die politische Landschaft ziehen sich tiefe Gräben. Da kämpfen Alt-Bundesrätinnen gegen Alt-Bundesrätinnen – eine linke Regierungsrätin für die Reform und bürgerliche Gemeindepolitiker dagegen.

Und auch Ökonomen streiten darüber, welches der richtige Entscheid ist. Mit Heiner Flassbeck, dem ehemaligen Chef-Volkswirt bei der UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung in Genf, warnt ein Star der Wirtschaftswissenschaft eindringlich vor der Reform. «Die geplanten Steuererleichterungen bringen die Schweizer Volkswirtschaft an den Abgrund», so der Deutsche im Gespräch mit 20 Minuten.

«Wenn alle sparen, bricht die Volkswirtschaft zusammen»

Seine Argumentation: Schon heute investierten die multinationalen Unternehmen kaum mehr in der Schweiz, sondern legten einen Grossteil ihres Gewinns auf die hohe Kante. «Werden die Gewinnsteuern nun weiter gesenkt, verstärkt sich dieser Effekt noch: Wenn alle nur noch sparen und niemand mehr investiert, bricht die Volkswirtschaft zusammen.»

Entweder müsse sich der Schweizer Staat verschulden oder die Privatpersonen müssten für die Ausfälle bluten, so Flassbeck. Problematisch sei in diesem Zusammenhang auch, dass die Schweiz bereits heute viel mehr exportiere als importiere. «Langfristig wird das nicht gut gehen – die Schweiz braucht gerade im Lichte von Trumps Protektionismus dringend ein neues Geschäftsmodell», so Flassbeck.

Dass Firmen bei einem Nein zur Reform abwandern würden, glaubt der Ökonom, der für die SP eine Studie zur Zukunft des Schweizer Wirtschaftsmodells verfasst hat, nicht. «Die Unternehmenssteuern in der Schweiz sind bereits tief und es ist aus vielfältigen Gründen sehr angenehm, hier zu produzieren.»

«Riskant, Hände in den Schoss zu legen»

Diametral anderer Meinung ist Christoph A. Schaltegger, Professor für Politische Ökonomie an den Universitäten St. Gallen und Luzern. Zwar könne man nicht mit Gewissheit sagen, was passieren würde, wenn die Reform abgelehnt würde. «Es wäre aber sehr riskant und verantwortungslos, nun einfach die Hände in den Schoss zu legen und abzuwarten.»

Wenn nur schon einige der 24'000 international tätigen Firmen abwanderten, die von den bisherigen Steuerprivilegien profitiert haben, habe dies hohe Steuerausfälle zur Folge. «Schliesslich zahlen diese heute zusammen rund 5,5 Milliarden Franken Gewinnsteuern und sind damit für den Bund und die Kantone von grosser Wichtigkeit.» Die neuen Steuerinstrumente versuchten im Rahmen des international Akzeptierten möglichst viele Unternehmen bei möglichst geringen Steuerausfällen in der Schweiz zu halten.

«Eigenartige Argumentation»

«Natürlich kann man die einzelnen Elemente besser oder schlechter finden – aber der jetzige Vorschlag ist ein breit abgestützter Kompromiss», so Schaltegger. Im Falle eines Volks-Neins wäre es sehr schwierig, ein komplett anderes Paket zu schnüren, das den Standort attraktiv hält, die Ausfälle beschränkt und bei den heutigen politischen Verhältnissen mehrheitsfähig wäre, ist er überzeugt.

Flassbecks Argumentation, wonach die Investitionen in der Schweiz bei einem Ja zurückgingen, mutet für ihn «eigenartig» an: «Ob und wie viel die Firmen in den Standort Schweiz investieren, hängt wesentlich von der Steuerbelastung ab.» Diese würde ohne Reform ansteigen, so der Wirtschaftsprofessor. «Warum Firmen nach der Steuerreform also weniger investieren sollten, sehe ich nun wirklich nicht.»

Deine Meinung zählt