Sterbehilfe hält Einzug in die Altersheime

Aktualisiert

«In Würde sterben»Sterbehilfe hält Einzug in die Altersheime

Die Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas begleiten eine steigende Anzahl Altersheimbewohner in den Freitod. Dieser Trend ist nicht unumstritten. Indes wird Demenz zum immer grösseren Problem.

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Menschen im hohen Alter oder mit einer unheilbaren Krankheit stehen oft vor einer schweren Entscheidung.

Menschen im hohen Alter oder mit einer unheilbaren Krankheit stehen oft vor einer schweren Entscheidung.

Die Anzahl Pflege- und Altersheime in der Schweiz, die den Sterbehilfeorganisationen Exit und Dignitas Zugang gewähren, steigt. «Wir schätzen, dass heute mehr als 50 Prozent der Heime in der Deutschschweiz den begleiteten Freitod gestatten», sagt Exit-Vizepräsident Bernhard Sutter zum «Sonntags Blick». «Vor fünf Jahren waren es erst 20 Prozent.»

Diverse Heime prüfen derzeit, ob sie ebenfalls nachziehen wollen. Viele sind durch die neuen Möglichkeiten unter Zugzwang. Doch das Klima wandelt sich. Hansruedi Moor, Leiter der Stiftung Alterszentrum Wengistein: «Wir haben immer wieder Anfragen, ob wir Sterbehilfeorganisationen

zulassen. Weil wir das nicht tun, haben sich schon manche gegen unser Heim entschieden.» Die Zahlen sprechen für sich: 2011 nutzten 27 Heimbewohner in der Deutschschweiz und dem Tessin die Dienste von Exit, in der Romandie waren es sieben.

Grund für die steigende Anzahl ist die Forderung der neuen Generation der Heimbewohner nach «einem höheren Mass an Selbstbestimmung», wie Marc Pfirter, Leiter des Regionalen Pflegezentrums in Baden feststellt. Zuvor hatten sterbewillige Patienten in ein Hotel gehen müssen, um den Freitod auszuüben.

«Rechtsungleichheit muss beseitigt werden»

Laut Beat Demarmels, Leiter Heime und Alterssiedlungen Luzern eine unmögliche Situation. «Es wäre unwürdig, die Menschen, die hier ihr letztes Zuhause gefunden haben, zum Sterben in ein Hotel zu schicken.» Für ihn sind die Heime in einem Gewissenskonflikt: «Auf der einen Seite haben wir einen Pflegeauftrag, auf der anderen wollen wir ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglichen.»

Auch der Dachverband Curaviva Schweiz ist für die Sterbehilfe in den Heimen: «Es darf nicht sein, dass es nur älteren Menschen, die nicht im Heim leben, offensteht, den Dienst einer Sterbehilfeorganisation in Anspruch zu nehmen. Diese Rechtsungleichheit muss beseitigt werden.»

Zwei Drittel der Altersheimbewohner sind dement

Derweil beschäftigt ein weiteres Problem die Alterspflege. Zwei Drittel der Bewohner von Schweizer Alters- und Pflegeheimen sind im Denkvermögen so beeinträchtigt, dass man von Demenz reden muss. Dies belegt eine noch unveröffentlichte repräsentative Studie im Auftrag der Alzheimervereinigung Schweiz (ALZ), die der «SonntagsZeitung» vorliegt.

Demnach wurden 64,5 Prozent der untersuchten 26 000 Bewohner aus knapp 400 Heimen mit Demenz diagnostiziert. Und die Situation wird sich verschärfen: «Die Zahl der Demenzkranken wird weiter zunehmen», sagt Birgitta Martensson, Geschäftsleiterin der Schweizerischen Alzheimervereinigung. Bis zum Jahr 2050 soll sich die Zahl der Dementen in der Schweiz verdreifachen.

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