Väter stinksauer - SPler verzögern Sorgerecht

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Gemeinsame SorgeVäter stinksauer - SPler verzögern Sorgerecht

Nach der Scheidung sollen neu beide Elternteile die elterliche Sorge behalten. Doch die Gesetzesrevison macht Probleme. Väterorganisationen werfen SP-Vertretern eine Verzögerungstaktik vor.

J. Pfister
von
J. Pfister
Sorgt für Zoff: Das gemeinsame Sorgerecht nach der Trennung.

Sorgt für Zoff: Das gemeinsame Sorgerecht nach der Trennung.

Ausgerechnet bei den familienfreundlichen Sozialdemokraten sorgt das gemeinsame Sorgerecht für Krach. Vergangene Woche hatten die Nationalräte Daniel Jositsch und Margret Kiener Nellen in der Fraktionssitzung einen Antrag eingereicht mit dem Ziel, die Vorlage über die gemeinsame Sorge zur Überarbeitung an den Bundesrat zurückzuweisen. Die Begründung: Das Gesetz weise erhebliche Mängel auf.

Doch die Mehrheit der Partei war offensichtlich anderer Meinung. «Der Antrag wurde deutlich abgelehnt», sagt Fraktionschef Andy Tschümperlin zu 20 Minuten Online. Die Partei habe entschieden, dass es besser sei, einzelne Schwachpunkte des Gesetzes in der Debatte vom Dienstag aufzuzeigen, als das Gesetz als Ganzes zu kippen.

«Vorlage verzögern»

Diese Aussage beruhigt Markus Theunert, Präsident des Dachverbands der Männer- und Väterorganisationen, nicht. Für ihn ist klar, dass es gewissen Personen primär darum geht, «die Vorlage zu verzögern». Dafür spreche auch der Antrag der Kommissionsminderheit um Kiener Nellen und Jositsch, der fordert, dass die Gesetzesrevision zur gemeinsamen elterlichen Sorge erst zusammen mit der Revision zum Unterhaltsrecht in Kraft tritt.

Ursprünglich war genau dies der Plan von Justizministerin Simonetta Sommaruga. Doch als sie Anfang 2011 ankündigte, die Revision des elterlichen Sorgerechts zu verschieben, um es gleichzeitig mit dem Unterhaltsrecht neu zu regeln, löste dies einen heftigen Protest der Väter- und Männerorganisationen aus. Die erbosten Männer organisierten Mahnwachen und schickten 4,5 Tonnen Pflastersteine nach Bern - symbolisch für die Steine, die Sommaruga der gemeinsamen elterlichen Sorge in den Weg lege. Der Druck wirkte: Drei Monate später beschlossen Bundesrat und Parlament, gestaffelt vorzugehen.

Die Forderung, dass die beiden Vorlagen trotz getrennten Debatten am Schluss nun doch zusammen in Kraft treten sollen, bezeichnet Theunert deshalb als Zwängerei. «Dieser Antrag ist der Versuch, einen Parlamentsentscheid durch die Hintertüre wieder auszuhebeln.» Es könne noch bis zu einem Jahr dauern, bis das Unterhaltsrecht im Rat behandelt werde.

Salamitaktik nützt niemanden

Für SP-Nationalrätin Kiener-Nellen hat der Versuch, die beiden Gesetzesrevisionen zusammen einzuführen, nichts mit Zwängerei zu tun. «Aus der Praxis wissen wir, dass bei den Abklärungen zum Sorgerecht die finanzielle Komponente immer eine Rolle spielt - eine Salamitaktik nützt hier deshalb niemandem», sagt die Anwältin. Es könne doch nicht sein, dass ein Gesetz in Kraft trete, das wenige Monate später bereits wieder von einem anderen Gesetz abgelöst wird

Dieser Meinung ist auch Anna Hausherr vom Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter und Väter. «Treten die Bestimmungen zur elterlichen Sorge vor dem neuen Unterhaltsrecht in Kraft, entstehen nicht nur grosse Unsicherheiten, sondern es besteht auch die Gefahr, dass die Behörden überfordert sind und letztlich das Wohl des Kindes gefährdet ist.»

Komplex und emotional

Theunert kann diese Argumentation nicht nachvollziehen. «Klar bringt die Revision Veränderungen und wirft in der Praxis vielleicht die eine oder andere Frage auf. Das ist völlig normal.» Die Behörden, allen voran die Gerichte, würden aber in der Lage sein, damit umzugehen.

Unterstützung erhält der Männer- und Vätervertreter vom Grünen Nationalrat Alec von Graffenried. «Wir haben uns vor einem Jahr dafür entschieden, die beiden Fragen nacheinander zu lösen, weil sie komplex und emotional aufgeladen sind.» Nur weil im Gerichtssaal die finanziellen Fragen auch eine Rolle spielen, müsse die Politik nicht auch noch das eine Thema gegen das andere ausspielen.

Umstrittene Punkte der Vorlage

Neben dem Zeitpunkt, wann das Gesetz zur elterlichen Sorge in Kraft treten soll, werden an der Debatte von Dienstag im Nationalrat noch zwei weitere Punkte zu diskutieren geben. Der eine ist der Vorschlag des Bundesrats, dass jeder Elternteil - auch jener, der die Kinder nicht betreut, nur noch mit Zustimmung des anderen den Wohnort wechseln kann. «Die Wohnsitzregelung grenzt an Absurdität», sagt Strafrechtsprofessor und SP-Nationalrat Daniel Jositsch. Es könne nicht sein, dass beispielsweise ein Mann, der seiner geschiedenen Frau das Zusammenleben mit einem neuen Partner in einem anderen Kanton nicht gönnt, ihr dies mit dem Argument des Sorgerechts verhindern könne.

Beim anderen Knackpunkt der Vorlage geht es um die Betreuung des Kindes. Der Bundesrat schlägt vor, dass der Elterteil, der das Kind allein betreut bei alltäglichen und dringlichen Angelegenheiten allein entscheiden kann - vorausgesetzt der andere Elternteil ist nicht mit vernünftigem Aufwand zu erreichen. «Wer definiert welche Angelegenheit alltäglich ist und welche nicht», fragt sich Anwältin und SP-Frau Margret Kiener Nellen. (jep)

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