«Die Doppelbürgerschaft fördert die Integration»

Aktualisiert

Umstrittene Idee vom SFV«Die Doppelbürgerschaft fördert die Integration»

Sind Bürger mit zwei Pässen weniger loyal zur Schweiz? Bürgerrechtsforscher Gianni D'Amato hat eine klare Antwort auf die Forderung des Fussballverbands.

P. Michel
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P. Michel
Alex Miescher, der Generalsekretär des Schweizer Fussballverbands, schlägt vor, dass Nati-Spieler auf Doppelbürgerschaften verzichten. Sehen Sie in den folgenden Kommentaren, was 20-Minuten-Leser davon halten.
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Alex Miescher, der Generalsekretär des Schweizer Fussballverbands, schlägt vor, dass Nati-Spieler auf Doppelbürgerschaften verzichten. Sehen Sie in den folgenden Kommentaren, was 20-Minuten-Leser davon halten.

Keystone/Laurent Gillieron

Herr D'Amato, nach der Doppeladler-Affäre denkt der Schweizer Fussballverband darüber nach, von seinen Spielern zu verlangen, dass sie auf die Doppelbürgerschaft verzichten. Eine gute Idee?

Überhaupt nicht. Damit stellt der Verband die Spieler mit doppelter Staatsbürgerschaft unter den Generalverdacht, nicht loyal gegenüber der Schweiz zu sein und damit vor ein Dilemma. Sein eigentliches Ziel, diese Spieler für die Schweiz zu gewinnen, torpediert der Verband. Er bringt die Spieler in eine unzumutbare Situation, statt zu sagen: Wir sind ein Team, und jeder bringt seine Geschichte mit. Da ja explizit nur Secondos gemeint sind und der Verband etwa von anderen Nati-Spielern, die ebenfalls im Ausland ihr Geld verdienen, kein «Bekenntnis zur Schweiz» fordert, hat das Vorhaben einen fremdenfeindlichen Anstrich.

Aber verstehen Sie, dass der Verband nach der Doppeladler-Affäre handeln musste?

Das leuchtet zwar auf den ersten Blick ein, es sieht aber so aus, als ob man jetzt von den sportlichen Leistungen ablenken wollte. Ich habe auch das Drama um den Doppeladler nicht verstanden: Wer auf dem Platz dermassen provoziert wird und auf dem Platz die Möglichkeit hat, mit einer Geste dem etwas entgegenzusetzen, wird das in einer solch emotionalen Situation tun. Das ist menschlich und hat nichts mit der Loyalität zum Team oder zur Schweiz zu tun.

Die Doppelbürgerschaft abschaffen wollte auch schon die SVP, da es Loyalitätskonflikte gebe. Haben Doppelbürger eher Schwierigkeiten mit der Identifikation mit der Schweiz?

Das Gegenteil ist der Fall: Durch die doppelte Staatsbürgerschaft haben Einbürgerungswillige überhaupt erst die Möglichkeit, sich in der Schweiz zu beteiligen, ohne aber ihre Bindungen zum Herkunftsland zu kappen oder auf ihre dortigen Rechte zu verzichten. Das war auch der Grund, warum die Doppelbürgerschaft überhaupt eingeführt wurde. Die Rechte behalten zu können, ist zentral: Da geht es beispielsweise um die Möglichkeit, ein Erbe eines Familienmitglieds im Herkunftsland antreten zu können. Somit wurde es attraktiv, Schweizer zu werden. Zudem war es der staatspolitische Wille der

Schweiz, dies zu fördern.

Wie wichtig ist es für die Integration von einbürgerungswilligen Secondos, den Pass des Herkunftslands zu behalten?

In einem System, in dem der Staat die Neubürger dazu zwingt, den zweiten Pass abzugeben, beschneidet er ihre Freiheit. Der Staat geht in diesem Fall davon aus, dass man sich mit Schweizer Pass automatisch als «Originalschweizer» verhält, was nicht realistisch ist, weil es diesen nur in unserer Vorstellung gibt. Das erschwert die Integration. Niemand kann seine Geschichte ablegen.

Sie sind selbst italienisch-schweizerischer Doppelbürger. Wem drücken Sie bei Fussballspielen die Daumen: der Schweiz oder Italien?

Wenn Italien gegen die Schweiz spielt, bin ich salomonisch: Das bessere Team soll gewinnen. Es ist ja nicht möglich, gegen sich selbst zu spielen. Ansonsten unterstütze ich natürlich jeweils die Schweizer und die italienische Mannschaft.

Gianni D'Amato ist Professor für Migration und Bürgerrechtstudien an der Universität Neuenburg.

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