Widmer-Schlumpf kämpft für AHV – und erntet Kritik

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«Vorlage ist in der Balance»Widmer-Schlumpf kämpft für AHV – und erntet Kritik

Altbundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf mischt sich erneut in einen Abstimmungskampf ein. Ein FDP-Ständerat findet dies problematisch.

P. Michel
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P. Michel
«Die Reform ist in der Balance»: Mit diesem Befund schaltete sich Altbundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf via «SonntagsZeitung» in den Abstimmungskampf um die AHV-Reform ein.
Eveline Widmer-Schlumpf laechelt an der Delegiertenversammlung der BDP im Kultur- und Sportzentrum in Pratteln, am Samstag, 22. April 2017. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Dass Widmer-Schlumpf diese Devise über Bord geworfen hat, sorgt für Kritik. FDP-Ständerat Damian Müller sagt, er sei «erstaunt, dass sich Altbundesrätin wieder gezwungen fühlt, im Abstimmungskampf mitzumischen». Er ist der Meinung, dass grundsätzlich amtierende Politiker zu aktuellen Abstimmungen Stellung beziehen sollten
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«Die Reform ist in der Balance»: Mit diesem Befund schaltete sich Altbundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf via «SonntagsZeitung» in den Abstimmungskampf um die AHV-Reform ein.

Keystone/Thomas Hodel

Wieder schaltet sich Altbundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf in einen Abstimmungskampf ein. Nachdem sie bereits im Vorfeld der Unternehmenssteuerreform III die Vorlage als «aus der Balance» taxiert hatte, meldete sie sich nun auch zur AHV zu Wort.

Im Interview mit der «SonntagsZeitung» verteidigt sie die Reform, über die am 24. September abgestimmt wird, gegen alle Kritikpunkte. «Die Vorlage ist in der Balance», so Widmer-Schlumpf. Und: «Wer Nein sagt zur Reform, riskiert, unsere Vorsorgewerke an die Wand zu fahren.» Bei ihrem Rücktritt 2015 erklärte sie noch, von ihr werde man «sicher keinen Kommentar zu politischen Themen auf Bundesebene mehr hören».

Sollten sich nur amtierende Politiker zu Wort melden?

Auf Anfrage erklärt FDP-Ständerat Damian Müller, er sei «erstaunt, dass sich Altbundesrätin Widmer-Schlumpf wieder gezwungen fühlt, im Abstimmungskampf mitzumischen». Er ist der Meinung, dass grundsätzlich amtierende Politiker zu aktuellen Abstimmungen Stellung beziehen sollten.

«Natürlich darf sich Eveline Widmer-Schlumpf als Bürgerin auch äussern», sagt Müller zu 20 Minuten. «Sie sollte dabei aber bei den Fakten bleiben und keine Unwahrheiten verbreiten.» Die Behauptung, die Reform sei die letzte Chance, um die AHV zu retten, sei schlichtweg falsch.

FDP-Präsidentin Petra Gössi doppelte in der «SonntagsZeitung» nach: «Vielleicht ist eine Regelung gefragt, wie und in welchem Umfang sich amtierende und ehemalige Bundesräte in Abstimmungskämpfe einmischen sollten.»

Politologe: «Widmer-Schlumpf geniesst sehr hohe Glaubwürdigkeit»

Widmer-Schlumpf erklärte, Pro Senectute habe sich immer für die AHV starkgemacht, und man erwarte von ihr als Präsidentin, dass sie hier Stellung beziehe. Daneben sieht Politologe Mark Balsiger noch einen weiteren Grund für die Einmischung: «Eveline Widmer-Schlumpf ist wie auch andere ehemalige Bundesräte der Versuchung erlegen, in der Öffentlichkeit im grossen Stil wahrgenommen zu werden.»

Laut Balsiger geniesst Widmer-Schlumpf in der Bevölkerung eine sehr hohe Glaubwürdigkeit. Zwar sei sie bei der SVP verhasst, seit sie 2007 die Wahl in den Bundesrat angenommen habe. Bei einer Mehrheit der Leute punkte die ehemalige BDP-Bundesrätin aber mit Dossierkenntnis und Sachverstand.

Gerade bei einer höchst komplexen Vorlage wie der AHV-Reform könne eine Gallionsfigur wie sie Verunsicherte ins Lager der Befürworter ziehen. «Ihre Positionsbezug kann Wirkung entfalten und eine neue Dynamik in den Schlussspurt des Abstimmungskampfs bringen», sagt Balsiger zu 20 Minuten. Bei der letzten Tamedia-Abstimmungsumfrage lagen die Befürworter mit 52 Prozent Ja-Anteil knapp vorne.

Diese Dynamik werde grösser, wenn sich neben Widmer-Schlumpf noch weitere populäre Meinungsführer aus der Deckung wagten, so Balsiger. Dies habe man auch bei der USR-III-Abstimmung beobachten können.

Widmer-Schlumpf kontert Kritik

«Ich finde, bei Geschäften, die ein Bundesrat intensiv begleitet hat, ist es gerechtfertigt, wenn sich dieser auch nach dem Rücktritt dazu äussert», kontert Widmer-Schlumpf die Kritik an ihrer Einmischung in der «SonntagsZeitung». Vielmehr stelle sie fest, dass man Männer wie etwa den Altbundesrat Pascal Couchepin weniger kritisiere.

Dies lässt Politologe Mark Balsiger nicht gelten. Widmer-Schlumpf provoziere einfach grösseren Widerspruch, weil sie sich nur gezielt zu zwei zentralen Abstimmungsvorlagen geäussert habe. «Das ist nicht mit einem Moritz Leuenberger oder Pascal Couchepin vergleichbar, die mit grosser Regelmässigkeit in der Öffentlichkeit etwas sagen.»

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