«Schweizer Islam»Die SP fordert die Anerkennung des Islams
Für den Islam sollen in der Schweiz die gleichen Regeln gelten wie für die Landeskirchen, verlangt die SP. Doch sind die muslimischen Organisationen zu diesem Schritt bereit?
Im Ausland ausgebildete Imame, die von der Türkei oder Saudiarabien bezahlt werden und in Hinterhofmoscheen radikale Formen des Islam predigen: Die SP will diesem Treiben einen Riegel schieben. In einem Strategiepapier, das an der SP-Tagung am 16. Juni diskutiert wird, fordert sie die schweizweite «staatliche Anerkennung muslimischer Glaubensgenossenschaften», schreibt die «SonntagsZeitung».
Die Anerkennung sei aber an bestimmte Bedingungen gebunden, heisst es im SP-Positionspapier: «Die anerkannten Glaubensgemeinschaften sollen unter einer kantonalen Aufsicht stehen.» So soll sichergestellt werden, dass sie die Gleichberechtigung von Frauen und Männern gewährleisten, sich zum säkularen Rechtsstaat bekennen, finanziell transparent und vom Ausland unabhängig sind sowie gemeinnützige Leistungen wie Seelsorge oder Bildung übernehmen. Für sie sollten also die gleichen Regeln gelten, wie für die Landeskirchen.
Steuern und Imam-Lehrgänge
Schweizerische muslimische Gemeinschaften sollen im Gegenzug das Recht erhalten, Steuern einzuziehen und in Gefängnissen, Spitälern oder in der Armee Seelsorge zu betreiben. Schweizer Universitäten sollen Ausbildungslehrgänge für Imame anbieten.
«Wir brauchen einen Schweizer Islam», sagt SP-Präsident Levrat.
Die Forderung nach einem «Swiss Made» Islam ist nicht neu: Schon im November 2017 sagte Levrat, dass die SP jener grossen Mehrheit der Muslime eine Stimme geben wolle, die in Frieden ihre Religion ausübe. Seine Forderung begründet er mit dem Diskriminierungsverbot: «Die Einhaltung der Grundrechte und das Diskriminierungsverbot müssen dazu führen, dass die Kantone die Diskussion um die Anerkennung des Islam angehen.»
Bedingungen als Knackpunkt
Gleicher Meinung ist auch SP-Nationalrat Martin Naef: «Eine staatliche Anerkennung des Islams wäre eine konsequente Umsetzung der verfassungsgegebenen Religionsfreiheit.» Es gebe keinen Grund, der überwiegenden Mehrheit der Muslime in der Schweiz, die sehr gut integriert seien, dieses Recht abzuerkennen.
Die andere Frage sei aber, ob die muslimischen Gemeinschaften sich überhaupt den gestellten Bedingungen unterwerfen wollten, sagt Naef. «Als wir im Verfassungsrat des Kantons Zürich den jüdischen Gemeinschaften in Zürich ein ähnliches Angebot machten, wollten einzelne orthodoxen Gruppierungen dieses nicht annehmen.» Bei den heterogenen muslimischen Organisationen sei das wahrscheinlich ähnlich.
Anerkennung der «richtige Schritt»
«Es kann natürlich sein, dass gewisse muslimische Randgruppen solche Bedingungen nicht akzeptieren wollen», sagt Mahmoud El Guindi, Präsident der Vereinigung der Islamischen Organisationen in Zürich (VIOZ). Der grosse Teil der muslimischen Gemeinschaften sei aber dazu bereit, sich an die gleichen Regeln zu halten, wie die Landeskirchen auch.
In der staatlichen Anerkennung des Islams sieht er einen wichtigen Schritt für die Integration der Muslime in der Schweiz. «Daher begrüsse ich das Strategiepapier der SP», sagt El Guindi. Viele Schweizer seien dem Islam aber noch immer sehr misstrauisch eingestellt. «Es braucht also weiterhin einen Dialog zwischen den Religionen und Kulturen.»
«Der Islam gehört nicht zur Schweiz»
«Von diesem Plan der SP halte ich überhaupt nichts», sagt SVP-Nationalrat Mauro Tuena. Ganz im Gegenteil: Eine Anerkennung des Islams in der Schweiz sei brandgefährlich. «Der Islam gehört nicht zur Schweiz, gewisse Elemente sind nicht mit unserer Kultur und Rechtsordnung vereinbar, zum Beispiel die Deckungsgleichheit von Staat und Religion.» Es gehe nicht an, dass eine Bevölkerungsgruppe aus ihren religiösen Überzeugungen Normen für den Rest der Bevölkerung ableite.
«Hinzu kommt, dass es keinen Ansprechpartner gebe, der ‹den Islam› repräsentiert», so Tuena. Deshalb sei eine staatliche Anerkennung falsch. Die Einhaltung der Regeln, zum Beispiel dass Mann und Frau gleichberechtigt sein müssen, sein schwer zu kontrollieren. «Die Mehrheit der Muslime sieht Frauen und Männer nicht als gleichberechtigt an, solche Regeln lassen sich nicht durchsetzen.»
Tuena glaubt auch nicht, dass sich die Muslime dank einer Anerkennung besser integrieren würden. «Das haben wir ja bei den Kursen in heimatsprachlicher Sprache und Kultur gesehen: Statt Integration gibt es dort Erdogan-Propaganda. Die Erfahrungen in Deutschland, wo diese Propaganda verbreitet ist, sind nicht nur schlecht, sie sind erschütternd.»