Tarif-SpielräumeÄrzte und Spitäler rechnen drei Milliarden zu viel ab
Ein komplexes Gesundheitssystem macht es möglich: Spitäler und Ärzte stellen den Krankenkassen mitunter überhöhte Kosten für ihre Leistungen in Rechnung.
Für medizinische Kosten kommen in vielen Fällen die Krankenkassen auf. Spitäler, Ärzte und Versicherte reichen bei diesen ihre Rechnungen ein. Dort wird jede einzelne Forderung überprüft. Laut einem Bericht des «Sonntagsblick» lassen die Versicherer sich diese Kontrollen jährlich satte 414 Millionen Franken kosten.
Und das mit gutem Grund, denn laut Hochrechnungen einer neuen Studie des Krankenkassenverbandes Santésuisse werden allein im Bereich der obligatorischen Krankenversicherung rund drei Milliarden Franken zu viel in Rechnung gestellt. Über zehn Prozent der Forderungen sind nach dieser Erhebung unberechtigt.
Ausreizen des Systems
Der grösste Kostenblock bei den Kontrollen: Fehler auf Rechnungen von Spitälern und Ärzten. Diese machten rund 40 Prozent der bemängelten Rechnungen aus. Problem sei dabei keineswegs das mangelnde Wissen seitens Ärzten und Spitälern über die entsprechenden Tarife, zitiert der «Sonntagsblick» Jürgen Vontobel, Chef des Bereichs Leistungen und Mitglieder der Geschäftsleitung der Luzerner Krankenkasse Concordia.
Vielmehr würden Letztere «teilweise bis aufs Äusserste ausgereizt». Vontobel weiter: «Die Leistungserbringer wissen sehr genau, was sie abrechnen dürfen und was nicht.» Laut Studie sind es in den meisten Fällen die Leistungsabrechnungen der Spitäler, die der internen Krankenkassen-Prüfung nicht standhalten können. Vontobel führt dies auch auf den steigenden Kostendruck zurück.
Leistungserbringer unter Kostendruck
Die Spitäler selbst weisen die Vorwürfe überhöhter Rechnungen in einer entsprechenden Stellungnahme zurück. Aber auch sie verweisen auf den enormen Kostendruck, unter dem sie als Leistungserbringer stünden. Dem Ärzteverband FMH liegt daran, die Zahlen der Studie ins Verhältnis zu setzen: Nur bei einem Bruchteil jener Ärzte, gegen die der Krankenkassenverband Santésuisse Klage eingereicht habe, käme es überhaupt zu einem Schuldspruch.
Die Studie im Auftrag von Santésuisse wurde vom Institut für Wirtschaftsstudien Basel durchgeführt. In ihrem Rahmen wurden Krankenkassen befragt, massgeblich für die Datenerhebungen war das Jahr 2016.