SBB-Personal weigert sich, Fanzüge zu begleiten

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Nach AusschreitungenSBB-Personal weigert sich, Fanzüge zu begleiten

Gewaltbereite Fussballfans versuchten, SBB-Mitarbeiter anzugreifen. Das Personal ist schockiert, die Fans beschuldigen die Basler Justiz.

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Auf einem Extrazug von GC kam es am vergangenen Samstag zu einer Eskalation: Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, versuchten rund zehn Fans, das Zugpersonal anzugreifen. (Symbolbild)
Die Angestellten zogen die Notbremse und flohen aus dem Zug. So schlimm sei die Situation noch nie gewesen, sagt Andreas Menet vom Zugpersonalverband. (Symbolbild)
Die GC-Fans waren vor dem Vorfall im Zug schon im Stadion aufgefallen.  (28. April 2018)
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Auf einem Extrazug von GC kam es am vergangenen Samstag zu einer Eskalation: Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, versuchten rund zehn Fans, das Zugpersonal anzugreifen. (Symbolbild)

Keystone/Jean-christophe Bott

Nach dem Auswärtsspiel in Lausanne eskalierte am Samstag die Situation im Extrazug der GC-Anhänger. Zehn gewaltbereite Männer hätten versucht, SBB-Mitarbeiter anzugreifen, berichtet der «Tages-Anzeiger». Das Personal habe sich zurückgezogen und die Durchgangstür verriegelt.

Die Gewalttäter hätten versucht, diese einzuschlagen. Andere Fans hätten zwar versucht, das Zugpersonal zu schützen, schreibt die SBB in einer Mitteilung. Trotzdem habe sich das Personal verbarrikadieren müssen. Die Mitarbeiter zogen die Notbremse und verliessen den Zug. Sie blieben unverletzt, mussten aber von einem Care-Team betreut werden.

«Sicherheit ist nicht gewährleistet»

Das SBB-Personal ist geschockt. «Ich weigere mich ab sofort, jegliche Fanextrazüge zu fahren», schreibt etwa ein Lokführer in einem Bahnforum. «Meine Sicherheit kann nicht gewährleistet werden.» Andreas Menet, Präsident des Zugpersonals in der Eisenbahn-Gewerkschaft SEV, sagt: «Wir haben genug. So wie es jetzt läuft, fahren wir keine Extrazüge mehr.» Er habe mehrere Rückmeldungen von schockierten Zugbegleitern erhalten. «So schlimm war es noch nie», sagt Menet.

Auf den Fan-Extrazügen sind immer die gleichen Zugbegleiter des Event-Teams im Einsatz, die eine Spezialschulung erhalten haben. «Sie wurden am Samstag massiv bedroht», sagt Menet. Die SBB tue, was sie könne. Das Wegschauen der Politiker und des Fussballverbands müsse aber ein Ende haben. «Wahrscheinlich muss es erst tote Zugbegleiter geben, bevor etwas passiert», sagt Menet. «Das akzeptieren wir nicht.» Er könne sich vorstellen, dass sich die Situation verbessern würde, wenn für jedes Spiel, das in Ausschreitungen endet, ein Geisterspiel angesetzt würde.

Auch positive Entwicklungen

Die SBB teilt mit, sie mache grundsätzlich gute Erfahrungen mit dem System der Extrazüge. So könnten Fussballfans von normalen Reisenden getrennt werden. Der Kontakt mit den Clubs, den Fanorganisationen und dem Verband sei «gut».

Roger Schneeberger, Sprecher der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeibehörden, sagt, das Thema Fanreisen stehe seit längerem im Fokus der regelmässigen Treffen von kantonalen und städtischen Sicherheitsdirektoren und Vertretern der Clubs und des Fussballverbands. «Wir stellen dabei bei einigen Fangruppen auch sehr positive Entwicklungen fest», sagt Schneeberger.

Staatsanwaltschaft in Kritik

Es gelte, zielgerichtet dort zu intervenieren, wo es Probleme gebe. Neue Gesetze stünden nicht im Vordergrund: «Mit dem Hooligan-Konkordat besteht die Möglichkeit, relativ weitgehende Auflagen zur Anreise von Gästefans zu machen», sagt Schneeberger. «Meines Erachtens gilt es, mit den bestehenden rechtlichen Grundlagen zu arbeiten.»

Die GC-Fangruppierung Sektor IV schreibt in einer Mitteilung, sie bedaure den Vorfall. Es gelinge nicht immer, auf das Handeln aller Fans Einfluss zu nehmen. «Als Konsequenz und als Zeichen gegenüber dem betroffenen Bahnpersonal verzichten wir auf die kommenden Extrazugfahrten nach Thun und Luzern.» Kritik übt die Gruppe an der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Diese hatte bei einem Auswärtsspiel am 18. April 2018 eine Durchsuchung des Extrazugs angeordnet, als die Fans das Spiel verfolgten. Dabei wurden Gegenstände beschlagnahmt.

Mehrere Untersuchungen eröffnet

Weil die Betroffenen nicht informiert wurden, hätten sie das Gefühl gehabt, von SBB-Mitarbeitern bestohlen worden zu sein, schreibt die Gruppe. Dieser Verdacht habe sich bis zum Spiel vom Wochenende halten können und zum Vorfall beigetragen. «Wir kritisieren den ausgebliebenen Informationsfluss zur Durchsuchung, der im Voraus zur Beruhigung der Lage beigetragen hätte.»

Weshalb die Fans nicht informiert wurden, teilt die Staatsanwaltschaft Basel-Stadt mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht mit. Sprecher Peter Gill sagt, es habe sich entgegen anderslautender Berichte weder um eine Durchsuchung noch um eine Razzia gehandelt. Richtig sei, dass die Transport- und Kantonspolizei im Zug verschiedene verbotene Gegenstände festgestellt hätte. «Daraufhin wurde die Staatsanwaltschaft verständigt, die die verbotenen Gegenstände sicherstellen liess.»

Die Staatsanwaltschaft habe Verfahren gegen unbekannt eröffnet, unter anderem wegen Verstoss gegen das Waffengesetz und wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittel- und Sprengstoffgesetz.

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