Umstrittene Praxis«Amt wollte mir einfach den Ausweis entziehen»
Peter Schnyder ist sauer: Nach einem Verkehrsunfall will ihm das Strassenverkehrsamt den Ausweis wegnehmen, obwohl er unschuldig ist – und ohne Entscheid des Staatsanwalts.

Nach einer Kollision zweier Fahrzeuge, ähnlich wie hier in Kreuzlingen TG, sollte Peter Schnyder, obwohl er unschuldig war, seinen Fahrausweis abgeben. (Bild: Kapo TG)
Kein Anbieter«Das ist eine bodenlose Frechheit», sagt Peter Schnyder. Der 66-Jährige war am 14. November 2015 mit dem Auto von seinem Wohnort in Stettfurt TG Richtung Matzingen TG zum Einkaufen unterwegs. An einer Kreuzung kam es zur Kollision mit einem anderen Lenker. «Der Lenker kam wie aus dem Nichts», so Schnyder. Laut dem «Beobachter» blieben er und der Lenker des anderen Wagens nahezu unverletzt.
Die Polizei habe dann die Aussagen aufgenommen und gesagt, sie würde den Fall an die Staatsanwaltschaft weiterleiten. Für Schnyder war die Sache damit erst einmal erledigt: «Ich war unschuldig, zudem hatte der andere Lenker eine doppelte Sicherheitslinie überfahren.»
Einen Monat Ausweis weg
Rund einen Monat später bekam Schnyder Post vom Strassenverkehrsamt in Frauenfeld. «Da hiess es, dass sie mir den Fahrausweis für einen Monat entziehen würden, wegen einer mittelschweren Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsordnung. Ich war geschockt», so Schnyder. Innert zehn Tagen könne er dazu Stellung nehmen. «Ich wollte das sofort mit denen klären, aber da stiess ich auf taube Ohren.» Er habe sich deshalb einen Anwalt genommen. Dieser verlangte Akteneinsicht. Dabei wurde klar, dass sich die Verfügung des Strassenverkehrsamtes allein auf den Polizeirapport stützt. Das Urteil der Staatsanwaltschaft folgte ein paar Tage später: Gegen Schnyder werde keine Strafverfahren eingeleitet. Schliesslich verzichtete das Strassenverkehrsamt auf einen Ausweisentzug.
Getrennte Verfahren
Laut dem Strassenverkehrsamt Thurgau ist das Vorgehen in diesem Fall so üblich. «Wir warten das Urteil grundsätzlich nicht ab, weil sonst die Verfahren viel zu lange dauern würden», sagt der Zuständige, Ernst Fröhlich. Zudem hätte Schnyder die Möglichkeit gehabt, zum Vorfall Stellung zu nehmen. «Wenn wir nach der Stellungnahme Zweifel an unserer Administrativmassnahme haben, warten wir das Strafverfahren ab», so Fröhlich.
Georges Burger, Leiter Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt St. Gallen, weist zudem darauf hin, dass Administrativverfahren und Strafverfahren getrennt voneinander laufen. «Das Strassenverkehrsamt liest den Polizeirapport und entscheidet auf dieser Basis und auf Grund des Strassenverkehrsgesetzes, ob eine Administrativmassnahme nötig ist», so Burger. Die Staatsanwaltschaft führt eine eigene Untersuchung und urteilt aufgrund des Strafgesetzbuches. So kann es durchaus sein, dass jemand seinen Ausweis abgeben muss, obwohl ihn das Gericht später für unschuldig erklärt.
Eine Praxis, die nicht bei allen auf Gegenliebe stösst. Luigi R. Rossi, Präsident der TCS-Sektion St. Gallen-Appenzell Innerrhoden, würde es befürworten, wenn nur eine Person den Fall beurteilt. «Solange das Verfahren getrennt läuft, weiss der eine ja nicht, was der andere entscheidet. Dabei haben ihre Urteile Auswirkungen aufeinander. Da wäre eine Gesamtwürdigung von Vorteil», so Rossi.