Sennwald SG«Hochzeitstauben bringen kein Glück»
In Sennwald SG wurde dieser Tage eine ausgehungerte Hochzeitstaube gefunden. Laut Experten kein Wunder – viele der Tiere finden den Weg nicht mehr zurück.
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«Das arme Tier war völlig geschwächt und konnte nicht einmal mehr fliegen», erzählt Hanni Brugger*. Dieser Tage hörte sie bei ihrem Sitzplatz in Sennwald plötzlich ein schwaches Klopfen. Beim Nachsehen fand sie eine Taube. «Erst dachte ich, das Tier sei voller Blut», so Brugger. Das vermeintliche Blut entpuppte sich dann aber als Farbe. Züchter markieren so ihre Tauben zum Schutz vor Raubvögeln. Beringt war das Tier nicht.
Brugger musste zuerst ihre Katzen wegsperren, diese hätten nämlich bereits versucht, auf die Taube loszugehen. Dann habe sie dem Vogel etwas Futter hingestellt. «Sie war so ausgehungert, ich konnte sie doch nicht einfach ihrem Schicksal überlassen», sagt die Sennwalderin. Danach habe sie Tierschützerin Edith Zellweger verständigt, die das Tier abholte. Für Zellweger war sofort klar: «Das war eine Hochzeitstaube.»
«Man schickt die Tiere in den Tod»
Als Zeichen der Treue werden Tauben gerne an Hochzeiten fliegen gelassen. Dieser Brauch ist Tierschützern schon lange ein Dorn im Auge und für sie reine Tierquälerei: Die Tiere würden aus ihrem Schlag genommen, in enge Boxen gesperrt und an fremde Orte gebracht und dort von fremden Menschen in die Hand genommen. Das sei für die Tiere purer Stress.
Besonders verwerflich: Laut der deutschen Tierschutzorganisation Peta wird bei Hochzeitstauben oftmals die Witwermethode angewandt. Mit dem Ziel, dass die Tiere möglichst schnell zurückfliegen, wird das monogame Taubenpaar getrennt, um so den Heimkehrwillen der Tiere zu forcieren.
Die Bieler Vogelschützerin Liz Vogt findet deutliche Worte: «Hochzeitstauben bringen kein Glück – ganz im Gegenteil. Das ist völliger Blödsinn und sollte strafbar sein.» Die Tiere werden laut Vogt ausgesetzt und – gemeinsam mit den guten Wünschen für eine Ehe – in den Tod geschickt. «Tauben haben entgegen der landläufigen Meinung gar keinen so guten Orientierungssinn», so Vogt. Würden die Tiere an einem ungewohnten Ort ausgesetzt, fänden nicht mehr zurück, verhungerten oder würden zur Beute von Greifvögeln.
Doch nicht nur Hochzeitstauben, auch Brieftauben finden laut der Thuner Vogelschützerin Ruth Gerber oft nicht mehr in ihren Schlag. «Viele wissen gar nicht, dass viele Stadttauben nichts anderes als gestrandete Zuchttauben sind», so Gerber.
Viele unseriöse Züchter
Dass das Ritual mit den Hochzeitstauben Tierquälerei sein soll, lässt Taubenzüchter Martin Künzler aus Henau SG nicht gelten. Er selbst züchtet seit 40 Jahren Tauben und besitzt aktuell rund 100 Tiere. Künzler räumt allerdings ein: «Unter den Züchtern gibt es sehr viele schwarze Schafe». Laut Künzler eignen sich als Hochzeitstauben nur Brieftauben, denn «alle anderen Taubenarten verhungern, weil sie sich verirren». Aber auch bei Brieftauben können Tiere verloren gehen, diese werden laut dem 50-Jährigen in 90 Prozent der Fälle Opfer von Greifvögeln.
Für Künzler ist klar: «Ein seriöser Züchter hat seine Tiere beringt und er geht an die Veranstaltung, an der die Tiere fliegen sollen, mit.» Das habe dann aber auch seinen Preis. Bei Künzler bekommen die Brauleute je eine weisse Taube in die Hand, dazu werden zwei Körbe mit verschiedenen Tauben hingestellt, die man aufsteigen lassen kann. Er verlangt dafür rund 280 Franken. Für eine Strecke von Wil nach Gossau brauchen seine Tiere maximal 30 Minuten. Sind die Tiere zurück, schicke er den Brautleuten oft ein SMS.
* Name geändert