SBB entfernen Sicherheitslinie für Blinde

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St. GallenSBB entfernen Sicherheitslinie für Blinde

Wegen Bauarbeiten am Bahnhof St. Gallen wurde ein Teil der Sicherheitslinie entfernt. Für Blinde werden Bahnreisen damit zur noch grösseren Herausforderung.

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«Die Sicherheitslinie am Gleis 5 wurde an einer zehn bis 15 Meter langen Stelle einfach entfernt und mit Spraydose nachgezeichnet», so Leser-Reporter P. S.* Bei dem 32-Jährigen stösst das auf Unverständnis. «Als ich sah, dass die Sicherheitslinien fehlten, habe ich sofort an Blinde gedacht, für die eine fehlende Bodenmarkierung zum Verhängnis werden könnte», sagt S.

Dem stimmt Gerd Bingemann, Interessenvertreter des Schweizerischen Zentralvereins für das Blindenwesen SZB und selbst blind, zu. «Natürlich ist es ist ungünstig, wenn Sicherheitslinien Lücken haben», so Bingemann. Zwar können Blinde an speziellen Kursen lernen, wie man sich mithilfe des Blindenstockes selbstständig bewegen kann – dies aber vor allem in Standardsituationen. Ein Fall wie bei Gleis 5, bei dem eine so grosse Distanz an Sicherheitslinie fehlt, sei aussergewöhnlich und deshalb schwierig. «Wenn ich mir vorstelle, dass mein Stock aufgrund der fehlenden Linien über den Rand des Perrons ausschwenken würde, rutscht mir das Herz in die Hose», so Bingemann. Er ist sich sicher: «Ich würde mich erschrecken, weil ich es einfach nicht erwarte – normalerweise hat es auf einem Perron konsequent überall taktil-visuelle Linien oder halt noch überhaupt keine, so dass man sich darauf einstellen kann.»

Unterbrüche laut SBB unvermeidlich

Wie die SBB auf Anfrage schreiben, werden am Bahnhof St. Gallen zurzeit diverse Bauarbeiten ausgeführt. Kleinere Unterbrüche der taktilen Linien seien deshalb leider unvermeidlich. Die mit Spray angezeichneten Linien seien ein Provisorium und würden so schnell wie möglich wieder ergänzt. «Das Aufbringen der Markierungen erfordert einen trockenen Boden und Aussentemperaturen von über fünf Grad», so Michelle Rothen, Mediensprecherin der SBB. Zudem werden laut den SBB dafür Gleissperrungen benötigt, weil die Linien am Perronrand angebracht werden müssen und dies nicht gemacht werden kann, wenn die Züge fahren. In der Nacht sei es im Moment aber zu kalt um dies auszuführen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sicherheitslinien für Schlagzeilen sorgen. In Zürich wollte man einen Teil der Linien aufheben, weil sie angeblich die Sehenden irritieren würden.

* Name der Redaktion bekannt

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