Drogengeschäft boomt«Neben dem Heroin lagen die Ufzgi der Kinder»
Noch nie hat die St. Galler Polizei so viele Drogenfälle registriert wie 2015. Doch die Jagd auf Dealer ist aufwändig und bringt die Ermittler an ihre Grenzen.
Drogen sind im Kanton St. Gallen angesagt wie nie zuvor: Die Zahl der Verstösse gegen das Betäubungsmittelgesetz stieg 2015 im Vergleich zum Vorjahr um rund 11 Prozent an. Die am häufigsten verkaufte und konsumierte Substanz in St. Gallen ist Marihuana – es wurden über 250 kg Hanfprodukte beschlagnahmt und vernichtet. Sichergestellt wurden zudem sechs Kilogramm Heroin und 5,6 kg Kokain sowie knapp zwei Kilogramm Halluzinogene.
«Einen Drogendealer zu fassen, ist jedes Mal ein enormer Aufwand, auch bei 08/15-Fällen», sagt Eugen Rentsch, Leiter der Abteilung Betäubungsmitteldelikte der Kantonspolizei St. Gallen. «Unsere personellen Ressourcen sind aufgrund solcher Fälle völlig ausgeschöpft.» Manchmal müssten die Beamten auch Wohnungen stürmen und sogenannte Drogenzellen sprengen. Und nicht selten würden sie neben Drogen noch andere Dinge vorfinden.
Geladene Kalaschnikow lag auf dem Sofa
«Neben dem Heroin und dem Streckmittel lagen die Hausaufgaben der Kinder auf dem Tisch», erinnert sich Rentsch an einen Fall vom vergangenen Jahr. Durch besorgte Personen sei die Polizei auf den Dealer J.* aufmerksam gemacht worden. «Der Mann schlich täglich im Park umher – alle hatten Angst», sagt Rentsch. «Daraufhin hörten wir monatelang seine codierten Telefonate ab und beobachteten ihn.» Denn im Gegensatz zu Observationen in TV-Krimis wie dem «Tatort» reiche es nicht, wenn man die Kapuze tief ins Gesicht ziehe und dem Verdächtigen unauffällig folge.
Insgesamt observierten drei Gruppen à acht Polizisten den Mann, bis die Polizei schliesslich zur Wohnung der Familie vorstiess. «Wir wussten, dass der Mann mehrere geladene Waffen zu Hause hatte», so Rentsch.
Rund 16 Einsatzkräfte seien bei der Verhaftung nur für die Umstellung des Hauses eingesetzt worden, sagt Rentsch weiter. Als sie in die Wohnung kamen, habe sich den Polizisten ein unglaubliches Bild geboten: «Die Wohnung sah aus wie ein Drogenlabor, und das, obwohl auch Kinder dort lebten. Neben dem Heroin lagen die Hausaufgaben der Kinder.» Auf dem Sofa habe der Mann eine geladene Kalaschnikow gehabt, im Flur eine weitere Feuerwaffe auf einer Sporttasche.
Vom ersten Verdacht des Drogenhandels bis zur Verhaftung seien mindestens 65 Polizisten im Einsatz gewesen, erinnert sich Rentsch. «Solche Einsätze zerren an unseren Kapazitäten. Die Sicherheit der Menschen wird trotzdem immer oberste Priorität haben.»
*Name der Redaktion bekannt