Calanda-Wölfe dürfen abgeschossen werden

Aktualisiert

Bundesamt für UmweltCalanda-Wölfe dürfen abgeschossen werden

Die Wölfe verlieren immer mehr die Scheu vor den Menschen. Deshalb sollen zwei Jungtiere getötet werden – aber nicht gleichzeitig.

von
dia
Am Montag, 5. Oktober 2015, schaffte es ein Leser-Reporter, zwei Calanda-Wölfe zu fotografieren.
«Ein einmaliges Erlebnis», schwärmt Urs Steger.
Die Tiere haben den schönen Herbsttag sichtlich genossen.
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Am Montag, 5. Oktober 2015, schaffte es ein Leser-Reporter, zwei Calanda-Wölfe zu fotografieren.

Leser-Reporter/Urs Steger

Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) hat den Abschuss von zwei Jungwölfen aus dem Calanda-Rudel bewilligt. Dadurch sollen die übrigen Tiere wieder scheuer werden und die Siedlungen meiden.

Die Kantone St. Gallen und Graubünden hatten die Abschüsse Ende November beantragt. Das aus etwa zehn Tieren bestehende Rudel verhalte sich «zunehmend problematisch». Immer öfter wagten sich einzelne Wölfe in Siedlungen vor - zum Teil bis in Gehege und Ställe.

Mit dem Abschuss zweier Jungwölfe soll das Verhalten des Rudels beeinflusst werden. Damit die Massnahme wirkt, hat das Bafu Empfehlungen zur Umsetzung erlassen, wie es am Montag mitteilte.

Nicht gleichzeitig schiessen

Es empfiehlt den Kantonen, nicht zwei Wölfe gleichzeitig zu schiessen, sondern jeweils nur einen Wolf. Getötet werden sollen die Wölfe dann, wenn die anderen Rudeltiere dabei sind. Zudem soll der Abschuss in Siedlungsnähe und «während der Aktivitätszeit der Menschen» erfolgen.

Nach dem Abschuss des ersten Wolfes soll das Verhalten des Rudels verstärkt beobachtet und dokumentiert werden. Die beiden Kantone erhoffen sich von den Abschüssen, dass «ein Zusammenleben dieser Grossraubtiere in der Kulturlandschaft auch in Zukunft möglich» sein wird.

Kritik von WWF und Pro Natura

Gegen den Abschuss von Wölfen gibt es Widerstand: Der WWF und Pro Natura kritisierten in einer Stellungnahme, die Kantone und das Bafu reagierten voreilig auf den politischen Druck der Wolfsgegner. «Der angestrebte Lerneffekt auf die zurückbleibenden Wölfe folgt dem Prinzip Hoffnung und ist fachlich fragwürdig.»

Die Gefahr für die Menschen sei minimal. Dass Wölfe, ähnlich wie Füchse oder Rehe, nahe an Siedlungen kommen, sei nicht ungewöhnlich und müsse nicht unbedingt problematisch sein. Durch Abschüsse könne das Rudel als Sozialverband destabilisiert werden, und es könne zu mehr Nutztierrissen und auffälligem Verhalten kommen.

Durch Schlachtabfälle angelockt?

Einwohner von Vättis SG hatten Ende November auf Grund eigener Beobachtungen den Verdacht geäussert, Wölfe würden mit Schlachtabfällen in die Nähe des Dorfs gelockt. Auf diese Weise sollten Vorfälle mit Nutztieren provoziert und die Grundlage für Abschüsse geschaffen werden.

Der Leiter des Amts für Natur, Jagd und Fischerei des Kantons St. Gallen, Dominik Thiel, widersprach damals diesen Behauptungen. Der Kanton habe bereits 2014 in der Nähe von Vättis zwei Luderplätze verboten - so werden jene Stellen genannt, an denen Jäger mit entsprechender Bewilligung Füchse anlocken dürfen.

Nur wenige Nutztiere gerissen

Klar ist, dass der geplante Abschuss von Calanda-Wölfen nichts mit Rissen von Nutztieren zu tun hat. Laut Thiel hat das Rudel in diesem Jahr sieben Ziegen und ein Kalb gerissen. Das seien nicht genug Risse, um einen Abschuss zu begründen.

Im St. Galler Kantonsrat waren die Wölfe wiederholt ein Thema. Die SVP reichte Anfang Dezember ein Standesbegehren ein. Das Wolfsrudel sei für die Land- und Alpwirtschaft eine unerträgliche Belastung, schrieb die Partei. Die Sömmerung und die Haltung von Schafen und anderen Nutztieren werde immer aufwendiger.

Das erste Wolfsrudel der Schweiz lebt seit 2012 im Gebiet des Calanda-Ringelspitz-Massivs im Grenzgebiet zwischen St. Gallen und Graubünden. Das Rudel besteht aus etwa zehn Wölfen: einem Elternpaar mit vier Jungen sowie drei bis fünf Jungen vom letzten Jahr. (dia/sda)

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