Geothermie«Wir wurden vom Stadtrat belogen»
Skandal um das St. Galler Geothermie-Projekt. Der Stadtrat sagte, eine Gasförderung im Sittertobel wäre nicht wirtschaftlich. Dem widerspricht nun Gasförderer Seag.
SVP-Stadtparlamentarier René Neuweiler ist vom Stadtrat bitter enttäuscht. Zusammen mit SVP-Parlamentarier Jürg Brunner fragte er die Stadtregierung in einem Postulat, ob es Interessenten für eine kommerzielle Erdgasförderung im Sittertobel gäbe. Das Gas im Sittertobel war 2013 bei Geothermie-Bohrungen entdeckt worden.
Der Stadtrat verneinte in seiner Antwort. Am Donnerstag schreibt jedoch das St. Galler Tagblatt, dass es sehr wohl einen Interessenten gegeben hätte. Die Schweizerische Erdöl AG (Seag) würde noch so gerne Erdgas fördern. Darüber ist Parlamentarier Neuweiler empört: «Es hiess, es gäbe keine Interessenten. Somit wurden wir vom Stadtrat belogen.»
Abstruses Vorgehen
Die Seag wiederum beklagt, dass sie von der Stadt gar nicht erst angefragt wurde, ob ein Interesse an der Förderung bestehe. «Das ist abstrus», sagt Patrick Lahusen, Vizepräsident des Verwaltungsrates der Seag. «Schliesslich gehört uns alles Gas, das im Kanton St. Gallen gefördert werden kann. Wir haben entsprechende Exklusivrechte.»
SP-Stadtrat Peter Jans widerspricht: «Seag hatte nur eine Konzession bis 2013. Ob diese verlängert wird, ist unklar. Ein Rechtsstreit darüber ist beim Kanton hängig.» Auch habe der Stadtrat nicht gelogen: «Dass die Seag Interesse an der Erdgasförderung hat, haben wir gestern erfahren. Der Postulatsbericht kam Ende März 2016 heraus.»
Auch um Datenmaterial gibt es einen Zwist: «Wir wollten die Daten von der Stadt, um abzuklären, ob das Erdgasvorkommen potenzial für die kommerzielle Nutzung hat», so Lahusen. Diese Abgabe der Daten sei mündlich bereits abgemacht gewesen, als die Seag ihrerseits der Stadt geologische Daten für das Geothermie-Projekt zur Verfügung stellte. Die Daten bekam die Seag jedoch nie. Aus den Medien erfuhr die Seag, dass andere Investoren die Daten bekommen haben.
Millionen für die Stadtkasse
Pikant: Die Seag wäre bereit, mehrere Millionen für eine Langzeitstudie auszugeben, um abzuklären, ob im Sittertobel Erdgasförderung kostendeckend betrieben werden könnte. «Wenn das der Fall wäre, würden wir das Erdgas fördern und verkaufen. Im Gegenzug würden wir der Stadt die Kosten für das Bohrloch erstatten», so Lahusen. Wie hoch der Betrag wäre, ist laut Lahusen unklar. «Er würde aber wohl im zweistelligen Millionen-Bereich liegen», so Lahusen. Laut StadtratJans gibt an, dass der Stadt Nettokosten von 42 Millonen Franken für das Bohrloch entstanden seien.
Für die SVP-Parlamentarier Neuweiler und Brunner ist es ein Skandal, dass der Stadtrat die Chancen auf eine Nutzung des 4000-Meter-Lochs verstreichen lässt und die Möglichkeit auf Millionen für die Stadtkasse verzichtet.
Stadtrat Jans sieht das anders: «Wir haben mehreren renommierten Anbieter die Daten zur Verfügung gestellt. Diese kamen zum Schluss, dass sich Erdgas nicht kostendeckend fördern lässt.»
«Die einzig wahren Grünen»
Die Parlamentarier Brunner und Neuweiler werden dafür kämpfen, dass das Bohrloch offen bleibt. «Das würde läppische 12 000 Franken pro Jahr kosten», so Brunner. Für die Geothermie habe man fast 60 Millionen ausgegeben. «Es ist durchaus möglich, dass in der Zukunft Verfahren entwickelt werden, welche die Energiegewinnung aus dem Bohrloch im Sittertobel ermöglichen.»
Neuweiler hat den Eindruck, dem Stadtrat ginge es nur darum, das Loch möglich schnell zu schliessen, damit es nicht zu weiteren Beben komme und um auf keinen Fall Erdgas fördern zu müssen. Zudem verstehe er nicht, weshalb sich Linke und Grüne Politiker nicht für das Anliegen einsetzen. «Wir SVPler sind die einzig wahren Grünen in St. Gallen», sagt Neuweiler mit einem Schmunzeln.