Plagt St. Galler das Brummton-Phänomen?

Aktualisiert

Mysteriöses BrummenPlagt St. Galler das Brummton-Phänomen?

Seit Jahren hören Bewohnerinnen der Tschudistrasse ein mysteriöses Geräusch. Sie leiden möglicherweise unter dem sogenannten Brummton-Phänomen.

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In der Tschudistrasse leiden gleich drei Anwohner unter einem brummenden Geräusch, das sie bis tief in die Nacht verfolgt.
Hier an der Tschudistrasse 44 wohnt Paula Riederer. Sie hört das merkwürdige Geräusch seit ungefähr vier Jahren.
Auch im Haus gegenüber, an der Tschudistrasse 43, klagt Ingrid Jacober über einen Brummton. Auch sie hört den Ton seit vier Jahren.
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In der Tschudistrasse leiden gleich drei Anwohner unter einem brummenden Geräusch, das sie bis tief in die Nacht verfolgt.

Gerrit Siegner

Schauplatz Tschudistrasse. Seit Jahren werden Ingrid Jacober an der Tschudistrasse 43, Paula Riederer, wohnhaft an der Tschudistrasse 44, sowie Angelika Studer zwei Häuser weiter von einem merkwürdigen, penetranten Geräusch belästigt. «Bei weitem nicht alle hören das Geräusch», sagt Jacober. «Die, die es hören, empfinden es aber als sehr lästig.» Sie selbst schlafe deshalb oftmals sehr schlecht oder gar nicht. In ihrem Mehrfamilienhaus ist sie allerdings die einzige, die das Geräusch hört. «Mehrere Anfragen bei den Stadtwerken oder der SBB brachten keinen Erfolg», so Jacober. Die Ursache des Geräuschs blieb unbekannt. «Es ist ein rumpelndes Geräusch, wie wenn ein Motor laufen würde», sagt Riederer.

Nachdem am Mittwoch der Artikel auf 20 Minuten erschienen war, gingen bei Jacober über ein Dutzend Anrufe von Leuten ein, die von ähnlichen Geräuschen berichten. Bei 20 Minuten gingen mehrere Mails ein von Lesern, die ein ähnliches Erlebnis hatten. Alle suchten vergeblich nach der Ursache des Brummtons.

Seit den 1950er-Jahren bekannt

Sie sind nicht allein. Seit es in den 1950er-Jahren in Grossbritannien erstmals festgestellt wurde, ist das sogenannte Brummton-Phänomen bekannt. Demnach sind rund zwei Prozent der Weltbevölkerung vom Phänomen betroffen. Damit ist das Wahrnehmen eines Tones gemeint, wie ihn die Bewohner der Tschudistrasse auch hören. Dem Ton kann in den meisten Fällen keine akustische Ursache zugeordnet werden. Die Betroffenen sind jedoch überzeugt, dass es sich nicht um einen Tinnitus, sondern um eine externe Lärmquelle handelt.

Der Ton wird häufiger in geschlossenen Räumen als im Freien wahrgenommen und häufiger in der Nacht als am Tag. Auch wird der Ton von den Betroffenen oft nur an einem einzigen Ort wahrgenommen. «Ich war schon mehrmals im Spital und auch in einer mehrwöchigen Kur, da hörte ich das Geräusch nicht», so Riederer. «Kaum war ich aber zu Hause, setzte das Geräusch wieder ein.»

In Deutschland wurde 1995 der Verein zur Erforschung und Verhinderung des Brummtons gegründet. «Allgemein bekannt ist, dass die menschliche Hörschwelle für tiefe Töne individuell unterschiedlich ausgeprägt ist», schreibt der Verein auf seiner Website. «Derzeit wird davon ausgegangen, dass die Betroffenen im Tiefton-Bereich möglicherweise einige Frequenzen tiefer wahrnehmen können als andere.»

2001 klagten zahlreiche Familien in Deutschland über einen Brummton. Daraufhin führte das Umweltministerium Baden-Württemberg eine Messung mit Spezialgeräten an 13 Orten durch, ohne Ergebnisse.

Verdacht auf lärmendes Glasfasernetz

Ein 20-Minuten-Leser hatte einen anderen Verdacht: Vor vier Jahren wurden Bauarbeiten ausgeführt. Markus Schwendimann, Bereichsleiter Elektrizität der St. Galler Stadtwerke, bestätigt: «Damals bauten wir Rohranlagen, hauptsächlich für das neue Glasfasernetz ein.» Die Betroffenen Jacober und Riederer geben beide an, dass die Geräusche vor rund vier Jahren begannen. Könnte ein Zusammenhang bestehen?

Prompt machten sich drei Mitarbeiter der Stadtwerke auf an die Tschudistrasse, um den Verdacht zu untersuchen. Sie fanden allerdings nicht den geringsten Hinweis auf ein Brummen. Und auch Schwendimann sagt: «Das sind normale Kabel, die brummen nicht.» Die Trafostation in der Ruckhalde, einige hundert Meter von der Tschudistrasse entfernt, könne allerdings brummen. «Das ist aber höchstens etwa aus fünf Metern Entfernung noch zu hören», so Schwendimann.

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