An der Viehschau rauchen schon die 6-Jährigen

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AppenzellAn der Viehschau rauchen schon die 6-Jährigen

Derzeit finden im Appenzell die Viehschauen statt. An diesen dürfen Kinder offiziell rauchen. Was für die einen zur Tradition gehört, stösst bei anderen auf Unverständnis.

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taw
Traditionellerweise dürfen an Viehschauen und am Funkensonntag auch Kinder rauchen. Hier zwei Brüder an der Grossviehschau in Appenzell 2013.
Auffahrt zur Viehschau Wald - Rehetobel am Freitag, 26. September 2008, in Appenzell Ausserrhoden. In Appenzell Ausserrhoden werden die Viehschauen gemeindeweise abgehalten und sind Anlass für die Bauern, ihre besten Tiere mit viel Aufwand auf den Schauplatz zu treiben.
Auch für diese beiden gehört das Rauchen und Fachsimpeln an der Grossviehschau dazu.
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Traditionellerweise dürfen an Viehschauen und am Funkensonntag auch Kinder rauchen. Hier zwei Brüder an der Grossviehschau in Appenzell 2013.

Keystone/Gian Ehrenzeller

Prächtig geschmückte und gestriegelte Kühe werden zur Freude zahlreicher Zuschauer durch die Strassen geführt und schliesslich auf einen Schauplatz gestellt. Dort wird das Vieh nach Schönheit und Leistung bewertet und prämiert: So präsentieren sich die Viehschauen, die dieser Tage überall im Appenzellerland stattfinden. «Die Bauern können hier ihre Zuchterfolge zeigen und den Zuschauern stolz ihre Tiere präsentieren», so Walter Frick, Kurator des Appenzeller Brauchtumsmuseums in Urnäsch. Der Aufwand, den die Bauern dafür im Vorfeld betreiben, ist laut Frick riesig. Auch bei Touristen sind die malerischen Schauen sehr beliebt.

Doch die Besucher staunen auch wegen anderem: Mitten im bunten Treiben tummeln sich Kinder mit Zigaretten, «Krummen» oder Pfeifen im Mund. Was bei Auswärtigen für grosse Augen sorgt, gehört im Appenzell zur Tradition. «Am Funkensonntag und an der kantonalen Viehschauen in Appenzell ist Kindern das Rauchen erlaubt», sagt Rosalia Keller, Mediensprecherin von Appenzellerland Tourismus Appenzell Innerrhoden. Woher die Tradition stammt, weiss sie nicht – das sei eben immer schon so gewesen. Keller räumt allerdings ein: «Es ist schon paradox, das Rauchen wird an immer mehr Orten verboten und in Appenzell wird es sogar Kindern erlaubt.»

Kein richtiges Rauchen

Die Tradition gibt es nicht nur im Innerrhodischen, wie der Oberegger Bauer Max Fürer weiss. «Ich gehe öfters an Viehschauen und habe auch im Ausserrhodischen schon rauchende Kinder gesehen», sagt der 64-Jährige. Er selbst hat als Kind an der Viehschau auch geraucht – heute ist er Nichtraucher. «Die Kinder rauchen ja nicht richtig. Es wird mehr geblasen als inhaliert», so Fürer.

Bauer Albert Fässler aus Appenzell ist ebenfalls mit der Tradition aufgewachsen. «Die Touristen an der Viehschau sind immer überrascht, aber für uns ist das normal», sagt er. Laut dem Bauern rauchen bereits Sechsjährige an der Viehschau. «Ich habe damals Stümpen geraucht, allerdings wurde mir stets schlecht.» Darauf hoffen wohl die meisten Eltern, die ihren Kindern das Rauchen an diesem Tag ausnahmsweise erlauben.

Kaugummizigratten keine Alternative

Trotz der Tradition rät das Gesundheitsamt des Kantons Innerrhoden davon ab, Kindern dies auch nur ausnahmsweise zu erlauben. «Es ist zwar gesellschaftlich breit akzeptiert, dennoch raten wir dringend davon ab», so Departementssekretär Mathias Cajochen. Kaugummizigaretten sind laut Cajochen ebenfalls keine Lösung. «Diese sind den echten Zigaretten zu ähnlich. Kinder sollen nicht dadurch ans Rauchen herangeführt werden.»

Auch die Lungenliga Schweiz hält nichts von der Tradition. «Rauchen ist schädlich für die Gesundheit – gerade bei Kindern. Ihr Körper befindet sich noch im Wachstum. Jugendliche riskieren so, dass ihre Lungen nie die vollständige Grösse und Kapazität erreichen», sagt Barbara Weber, Mediensprecherin der Lungenliga Schweiz. Sie weist darauf hin, dass es sich bei Nikotin um eine extrem abhängig machende Substanz handelt. «Ein Drittel aller, die Zigaretten ausprobieren, werden süchtig. Je früher jemand mit dem Rauchen anfängt, desto schwieriger wird später der Ausstieg», sagt Weber. Auch sie sieht in Kaugummizigaretten keine Alternative: «Diese tragen dazu bei, dass das Rauchen normal erscheint und für Kinder attraktiv wird.»

In der Schweiz sterben laut dem Bundesamt für Gesundheit

jährlich 9000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Rauchen ist zudem für die Entstehung von 80 Prozent der Atemwegserkrankungen in der Schweiz verantwortlich.

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