Behörden verschlampen Fall um toten Lehrling

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Appenzell InnerrhodenBehörden verschlampen Fall um toten Lehrling

Der tragische Unfalltod eines 17-jährigen Lehrlings in einer Appenzeller Autowerkstatt bleibt ungeklärt, weil der Fall verjährt ist.

jeb
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Das Dorf Appenzell.

Das Dorf Appenzell.

Swisspics.ch

Der Unfall passierte an einem Freitagnachmittag im September 2010 in einem Garagenbetrieb in Appenzell. Ein 17-jähriger Lehrling liess mit dem Warenlift Pneus vom Lager in die darunter liegende Werkstatt hinunter. Sein Oberkörper ragte in den Warenlift hinein, als dieser nach unten fuhr. Dabei wurde der Lehrling eingeklemmt und getötet.

Die Staatsanwaltschaft Appenzell Innerrhoden ermittelte wegen Verdachts auf fahrlässige Tötung. Wie das St. Galler Tagblatt am vergangenen Samstag schrieb, genügte der Lift den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitsbestimmungen nicht und war bereits bei der Inbetriebnahme vom Arbeitsinspektorat beanstandet worden.

Externe Untersuchung

Wer für den tragischen Unfall verantwortlich war, bleibt ungeklärt. Der Fall ist seit einigen Tagen verjährt. Verantwortlich ist die Staatsanwaltschaft, die zu langsam untersucht hat. Nun hat die Regierung eine externe Analyse angeordnet.

Der Regierungsrat habe erst im vergangenen Juni erfahren, dass der Fall in Kürze verjähren werde, und habe bei der Staatsanwaltschaft interveniert, sagte Regierungspräsident Daniel Fässler am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA. Daraufhin sei das Verfahren zwar noch ans Gericht überwiesen worden. Doch es sei nicht mehr zur Ansetzung eines Termins gekommen – und nun sei der Fall verjährt.

20 Minuten-Leser gegen Verjährung

Kürzlich führte das Thema Verjährung zu grossen Diskussionen unter den 20-Minuten-Lesern, als bekannt wurde, dass die St. Galler Staatsanwaltschaft Beweismittel im Kristallhöhlenmord von 1982 vernichtete. Begründung: Der Fall sei verjährt.

«Das ist kaum zu ertragen, wie muss es erst den Angehörigen gehen? Diese Verjährung von Mord sollte dringend aufgehoben werden! Ich hoffe, dass der oder die Täter irgendwann ihre gerechte Strafe bekommen», schrieb etwa Frau Meier.

User Julian sah das anders: «Ist doch unrealistisch zu glauben, man könne einen Fall nach 30 Jahren noch aufklären. Die Abschaffung der Verjährung würde nur etwas bringen, wenn sich ein Mörder freiwillig stellt.»

Beim Grossteil der Leser war die Meinung jedoch klar: In der Umfrage zum Artikel sagten 94 Prozent, ein schweres Verbrechen wie Mord solle niemals verjähren. An der Umfrage nahmen fast 6000 Leser teil.

Appenzell handelt

«Das darf nicht mehr passieren», sagte Fässler, nachdem bekannt geworden war, dass der Fall des Lehrlings verjährt ist. Die Standeskommission habe deshalb eine externe Organisationsanalyse beim Zuger Alt-Regierungsrat Hanspeter Uster in Auftrag gegeben. Diese solle die Verfahrensabwicklung im Strafverfahren um den Todesfall des jungen Mannes abklären. Zudem solle die strukturelle und personelle Aufstellung der Staatsanwaltschaft geprüft werden. Erste Resultate erwartet Fässler Anfang 2018.

Dass Verfahren in Appenzell Innerrhoden zu lange dauern, sei seit Jahren bekannt. Die Standeskommission bemühe sich, die Erledigung älterer Fälle zu beschleunigen, teilte die Ratskanzlei am Freitag mit. «Wegen der Gewaltentrennung haben wir keinen Einfluss auf das Gericht», erklärte Fässler am Telefon. Auch bei der Staatsanwaltschaft könne der Regierungsrat nur administrativ eingreifen. Auskünfte zu konkreten Fällen seien nicht zulässig.

Der zuständige Justiz- und Polizeidirektor Martin Bürki stehe regelmässig in Kontakt mit der Staatsanwaltschaft, die zwei Juristen zu 100-Prozent-Pensen beschäftige. Anhand der Pendenzenliste werde besprochen, ob Massnahmen nötig seien, um Fälle zu beschleunigen. Falls Engpässe drohten, setze die Standeskommission ausserordentliche Staatsanwälte ein. Dies sei in den vergangenen Jahren mehrmals nötig gewesen, sagte Fässler.

Ausserordentlichen Staatsanwalt eingesetzt

Die Standeskommission habe zudem einem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprochen und den St. Galler Rechtsanwalt Julian Giesel als ausserordentlichen Staatsanwalt eingesetzt. Giesel, der zurzeit in derselben Funktion in St. Gallen tätig ist, wurde für ein Jahr gewählt. Der Amtsantritt des ausserordentlichen Staatsanwalts ist am 1. November. (jeb/sda)

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