KindstötungEltern lebten von iPhone-Betrug auf Ricardo
Sie betrogen auf Auktionsplattformen und zahlten keine Miete: Natalie und Mike K.s Lebenswandel war fragwürdig. Darum schalteten sich die Behörden ein.
Am Neujahrstag erstickte Natalie K. in Flaach ZH ihre beiden Kinder Nicolas (5) und Alessia (2). Als Begründung gab die junge Frau an, es gehe den beiden im Himmel besser. Unter Beschuss geriet die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). Diese hatte die Kinder im Heim platziert, weil sie Zweifel an der Betreuungsituation hatte. Dass diese begründet waren, zeigt die Biografie von Natalie und ihrem Ehemann Mike K. So zogen die beiden jahrelang von Wohnung zu Wohnung und blieben nur wenige Monate an einem Ort.
Dafür gab es offenbar zwei Gründe: Einerseits scheint das Paar vom gewerbsmässigen Betrug gelebt zu haben. Gegen die beiden laufen Betreibungen über Beträge in sechsstelliger Höhe. Gemäss der «Sonntagszeitung» verkaufte Mike K. auf der Auktionsplattform Ricardo iPhones, lieferte aber nie welche. «Es geht um Internetverkäufe, bei denen er die Waren nie zugestellt hat», bestätigt der Anwalt von Mike K. Aufgrund der ständig wechselnden Adressen war das Paar für Justiz und Geprellte aber schwer fassbar.
Gefälschte Betreibungsauszüge und Referenzen
Andererseits blieben die beiden den Mietzins meist schuldig. In Amlikon TG, wo Mike und Natalie K. gewohnt hatten, sagt die Hausbesitzerin: «Sie haben nie bezahlt, ich musste sie hinauswerfen.» Geschickt umgingen sie es oft auch, das Depot einzuzahlen. «Sie baten im Voraus um den Schlüssel, um bereits einige Sachen zu bringen», so ein weiterer ehemaliger Vermieter. Hatten sie die Wohnungsschlüssel, blieben die Zahlungen aus.
Um an einem neuen Ort einen Mietvertrag zu erhalten, wurden offenbar gefälschte Mietreferenzen und Betreibungsauszüge eingereicht. Als Beruf gab Mike K. meist an, eine hohe Stellung bei der Armee zu haben – ebenfalls eine Lüge.
Eltern reagierten auf eingeschriebenen Brief nicht
Im Sommer 2014 wollte das Paar nach Rüdlingen SH. Den Zuschlag für die 4?-Zimmer-Wohnung hatten die beiden bereits. Doch bevor sie einzogen, bemerkte die Verwaltung dass die beiden bei den Unterlagen geschwindelt hatten und erteilte eine Absage. Natalie und Mike K. fanden aber schnell Ersatz im wenig entfernten Flaach ZH. Weil das Paar Sohn Nicolas bereits in Rüdlingen im Kindergarten angemeldet hatte, ging dieser nach den Sommerferien auch dort hin.
Die Rüdlinger Schulbehörde teilte Natalie und Mike K. daraufhin per eingeschriebenem Brief mit, dass Nicolas den Kindergarten in Flaach besuchen müsse. Die Eltern holten den Brief aber nie ab und brachten ihren Sohn weiterhin in den Rüdlinger Kindergarten. Auch bei ihren betrügerischen Geschäften benutzten die beiden offenbar die Rüdlinger Adresse. «Mich riefen geprellte Geschäftspartner an», sagt ein Nachbar.
In den Flaacher Kindergarten wechselte Nicolas erst, als sich die Behörden einschalteten. In diesem Zusammenhang machte Rüdlingen auch eine Gefährdungsmeldung an die Kesb.
U-Haft wegen Wiederholungsgefahr
Mike und Natalie sitzen derzeit Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau ermittelt gegen Mike K. wegen gewerbsmässigem Betrug und Urkundenfälschung. Weil Kollusions- und Wiederholungsgefahr besteht, wurde er noch nicht entlassen. Seine Frau Natalie kam nach der ersten Verhaftung wieder frei. «Das Verfahren gegen die Frau ist keineswegs eingestellt», sagt Sprecher Stefan Hafter von der Staatsanwaltschaft Thurgau.
Natalie K. war nach der Tötung ihrer Kinder am 1. Januar wieder verhaftet worden. Sie hat die Tat gestanden.
Forensiker zu Kindstötung:
Laut Rechtsmedizin hat Natalie K. ihre Kinder erstickt. «Ein qualvoller Tod», sagt Forensiker Marc Graf. Bis zum Einsetzen der Bewusstlosigkeit dauere es eine halbe bis eine Minute. «Wenn die Kinder dazwischen Luft holen können, kann es zu einem fünf- bis zehnminütigen Todeskampf kommen», so Graf gegenüber der «Sonntagszeitung». Nur in ein bis zwei Prozent aller Todesfälle bei Kindern, würden diese durch die eigenen Eltern umgebracht. Je jünger die Kinder seien, desto häufiger (in zwei Drittel der Fälle) sei die Mutter die Täterin. Diese ersticke die Kinder meistens. Nachher drehe es und der Anteil der Väter überwiege, so Graf. Hier komme es öfter auch zu Anwendung grober Gewalt. Zu Kindstötungen komme es oft in Zusammenhang mit Konflikten. «Man bestraft den Partner, indem man das geliebte Kind tötet.» Zweifel hegt Graf darum an der Begründung der Mutter, es gehe den Kindern im Himmel besser. «Oft ist dies eine nachträgliche Rechtfertigung für eine schreckliche Tat, die man aus Wut auf den Partner oder die Behörden begangen hat.»