Wende nach 655 JahrenJetzt zahlt nur noch einer für das «Ewige Licht»
Statt jährlich 70 Franken für das «Ewige Licht» zu erhalten, muss die Kirche Näfels nun 9000 Franken bezahlen. Der siegreiche Bauer weiss schon, was er mit seinem Anteil macht.
Eine Provinzposse aus dem Glarnerland hat gestern ein Ende genommen: Das Kantonsgericht Glarus hat eine Klage der Kirche Näfels abgewiesen und ihr die Prozesskosten von 4000 Franken auferlegt. Damit kommt zum ersten Mal seit Jahrhunderten nicht mehr der Eigentümer des Grundstücks, auf dem damals die Nussbäume des Niederurners Konrad Müller standen, für das «Ewige Licht» der Kirche Näfels auf. Der mutmassliche Mörder Müller hatte im fernen Jahr 1357 die Licht-Spende in alle Ewigkeit versprochen, um sich von seiner Sühne loszukaufen (siehe Infobox).
Landwirt Thomas Seliner aus dem rund zehn Kilometer entfernten Schänis SG geht als lachender Sieger aus dem Prozess hervor: «Die Genugtuung ist natürlich gross», sagt er gegenüber 20 Minuten Online, «ich rechnete eher mit einem Kompromiss.» Das Grundstück habe er im Jahr 2009 von seiner Mutter übernommen, die den fälligen Betrag jeweils widerstandslos bezahlt habe. Auch Seliner hätte wohl gleich gehandelt, wenn die Kirche Näfels einfach weiterhin einen Einzahlungsschein geschickt hätte. «Dass sie das Ganze ins Grundbuch eintragen lassen wollten, ging mir aber zu weit. Da musste ich aufbegehren», so der 33-Jährige.
Zweiter Eigentümer bezahlt weiterhin
Pikantes Detail: Die Licht-Spende entfiel je hälftig auf zwei Grundeigentümer in Näfels. Wie das Grundbuchamt des Kantons Glarus auf Anfrage bestätigt, wehrte sich der andere nicht gegen den Grundbucheintrag – womit er die 70 Franken nun rechtskräftig begleichen muss. Nach 30 Jahren sei der Grundlast-Eintrag «grundsätzlich wieder ablösbar», so Leiter Rudolf Bärtsch.
Für die Kirche Näfels ist die Sache mit dem Prozess abgeschlossen. «Wir akzeptieren das Urteil. Uns fällt deswegen kein Zacken aus der Krone», sagt Kirchenratspräsidentin Daniela Gallati gegenüber der «Südostschweiz». Es sei der Kirchgemeinde nicht um die 70 Franken gegangen, sondern um die Erhaltung des alten Rechts, das seit über 600 Jahren Bestand hatte.
Ihre Kirche muss neben den Gerichtskosten nun auch noch eine Entschädigung à 5000 Franken zugunsten von Bauer Seliner berappen. Dieser nimmt das Geld gerne an: «Wenn nicht alles für den Anwalt draufgeht, soll es ein Zustupf für den Neubau eines Stalles sein.»
Der Ursprung der Ewig-Licht-Stiftung: Eine Chronologie
1357 begeht Müller Mord. Um sich von seiner Sühne loszukaufen, verspricht er der Kirche, das Nussöl für das Ewige Licht zu spenden - für immer. So auf jeden Fall stehts im Näfelser Kirchenarchiv.
1806 unterschreibt der Besitzer der bisher belasteten Güter einen Vertrag «zur Vermeidung aller künftigen Streitigkeiten und nachteiligen Folgen». (Quelle: Festschrift Pfarrkirche St. Hilarius Näfels, 1979).
In einer auf 1850 datierten Bemerkung im Grundbuch werden die Güter genannt, deren Besitzer das Öl weiterhin stiften müssen. Jedoch ohne Hinweis auf einen Mord.
1949 erinnert die katholische Kirchgemeinde den Besitzer der besagten Güter daran, die Pflicht freiwillig zu leisten. Dass keine Rechtsgrundlage besteht, wird deutlich dargelegt.
2010 fordert die Kirche Näfels den Eintrag des jahrhundertealten Usus in das Grundbuchamt und stellt dem Erben der betroffenen Parzelle 1400 Franken in Rechnung, die er nicht bezahlen will.
2012 zieht die Kirche vor Gericht - ein Urteil steht noch aus.