Tödliches Rennen in GenfAuch Beifahrern wird Tötung vorgeworfen
Bei einem Raserrennen in Genf wurde ein Fussgänger getötet. Der Staatsanwalt ermittelt nun auch gegen die Beifahrer der Raserautos wegen Tötung – eine Premiere.
Es geschah am 13. November um 22.30 Uhr: Ein 34-jähriger Familienvater aus dem Kosovo überquerte in Genf gemeinsam mit einem Kollegen (25) eine Strasse, als er von einem BMW 335i erfasst wurde, der sich bei einem Tempo von mindestens 130 km/h mit einem Subaru Impreza ein Rennen lieferte. Der 34-Jährige war sofort tot, sein Kollege wurde schwer verletzt. Die Lenker des BMW wurden beide verletzt, der Fahrer des Subarus und sein Beifahrer ergriffen die Flucht. Sie wurden noch in der gleichen Nacht ausfindig gemacht, weil ein Augenzeuge sich das Nummernschild gemerkt hatte.
Der zuständige Staatsanwalt Adrian Holloway geht nun mit aller Härte des Gesetzes gegen die Beteiligten des Raserrennens vor – und betritt dabei Neuland: Sowohl gegen die beiden Lenkern als gegen ihre Beifahrern ermittelt er wegen eventualvorsätzlicher Tötung – dafür beträgt die Mindeststrafe fünf Jahre Gefängnis. Alle vier sitzen in Untersuchungshaft – es handelt sich um Männer im Alter von 18 bis 23 Jahren. Über ihre Nationalität machten die Genfer Behörden keine Angaben.
«Ein politischer Aspekt»
Dass nicht nur die Lenker, sondern auch die Passagiere des Autos sich wegen eventualvorsätzlicher Tötung verantworten sollen, ist eine Premiere in der Schweiz. Juristisch könnten sie dafür verantwortlich gemacht werden, wenn die Staatsanwaltschaft annehme, dass die Beifahrer das Strassenrennen gewollt hätten, erklärt Yvan Jeanneret, Rechtsprofessor an der Universität Neuenburg, gegenüber dem «Matin Dimanche».
Die Rechtsanwältin Jennifer Bauer-Lamesta, die einen der Beteiligten des Raserrennens vertritt, unterstellt der Staatsanwaltschaft jeodch andere Motive: «Das Ganze hat einen politischen Aspekt. Der Staatsanwalt will offenbar Aufsehen erregen.» Dies bestreitet Vincent Derouand, Sprecher der Genfer Staatsanwaltschaft: «Es geht überhaupt nicht darum, ein Exempel zu statuieren. Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen erachtet die Staatsanwaltschaft die Beifahrer als Mittäter.»
Urteile wegen Tötung mit Eventualvorsatz sind selten
Doch selbst bei Lenkern sind Fälle selten, in denen es zu einer Verurteilung wegen eventualvorsätzlicher Tötung kommt – in der Schweiz ist dies bis jetzt erst in rund zehn Raserfällen vorgekommen. Deutlich häufiger werden Raser lediglich der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen – bei diesem Straftatbestand beträgt die Maximalstrafe drei Jahre.
Einen Fall, in dem Beteiligte verurteilt wurden, ohne selber am Steuer gesessen zu haben, gab es 1988 im Kanton Obwalden: Drei Kollegen hatten sechs Stunden lang miteinander Kafi Schnaps getrunken. Als einer von ihnen danach in betrunkenem Zustand einen Autounfall baute, wurden auch die beiden Kollegen wegen Mittäterschaft verurteilt.
«Letztlich entscheidet der Fahrer»
Die Stiftung Roadcross Schweiz hält es für richtig, dass bei Raserfällen wie jenem von Genf auch die Mitverantwortung der Beifahrer untersucht wird. «Wenn es Hinweise gibt, dass die Beifahrer die Lenker angespornt haben, begrüssen wir eine harte Anklage gegen sie – gerade auch wegen der abschreckenden Wirkung», sagt Roadcross-Geschäftsführerin Valesca Zaugg. Doch sie betont: «Gleich hart wie die Lenker sollte man sie nicht bestrafen – denn es ist letztlich immer der Fahrer, der die Entscheidungen trifft.»