Kopilot hat Flugzeug entführtDer Entführer wollte Asyl in der Schweiz
Der Flughafen Genf war heute Morgen für mehrere Stunden geschlossen. Grund dafür war eine entführte Maschine der Ethiopian Airlines. Der 31-jährige Entführer wurde verhaftet.
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Am Flughafen Genf ist am Montagmorgen ein entführtes Flugzeug der Ethiopian Airline gelandet. Beim Entführer handelt es sich um den Kopiloten der Maschine. Er flog Genf anstatt wie geplant Rom an. Verletzt wurde bei dem Vorfall niemand. Wie der Mitschnitt des Flughafenfunks zeigt, forderte der Entführer Asyl von den Schweizer Behörden.
Der Kopilot - ein äthiopischer Staatsangehöriger mit Jahrgang 1983 - nutzte einen kurzen Gang des Chefpiloten auf die Toilette aus. Dies sagte Eric Grandjean, Mediensprecher der Genfer Polizei, am Montag vor den Medien am Flughafen Genf Cointrin.
Entführer verschanzte sich im Cockpit
Er schloss sich im Cockpit des Flugzeugs des Typs Boeing 767-300 ein. Nach der Landung öffnete der Entführer auf dem Rollfeld ein Fenster des Cockpits und seilte sich auf den Boden ab. Er liess sich von der Polizei ohne Widerstand festnehmen.
Er gab an, sich in seinem Land in Gefahr zu befinden und politisches Asyl beantragen zu wollen. Die 202 Passagiere und Besatzungsmitglieder an Bord des Fluges Nummer ET702 der Ethiopian Airlines waren laut Angaben der Behörden zu keinem Zeitpunkt in Gefahr. Sie bemerkten die Entführung zunächst nicht.
Die Maschine war am Montag kurz nach Mitternacht in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gestartet und sollte um 4.40 Uhr in Rom landen. Die Maschine wurde am Schluss von zwei italienischen Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter eskortiert.
Entführer unbewaffnet
Der Entführer des Flugzeuges war offenbar unbewaffnet. Das Flugzeug landete um 6.02 Uhr auf der Piste fünf des Flughafens Genf. Um 7.25 Uhr konnten die 202 Passagiere und Besatzungsmitglieder das Flugzeug verlassen. Sie wurden psychologisch und medizinisch betreut.
Zudem wurden sie nach dem Verlassen des Flugzeugs und ein zweites Mal beim Terminal durchsucht. Die Polizei befand sich mit einem Grossaufgebot und Spezialeinheiten vor Ort.
Der Kopilot hatte um 4 Uhr morgens zunächst angefragt, die Maschine am Flughafen Genf auftanken zu dürfen. Erst später gab er der italienischen Flugaufsicht an, dass es sich um eine Flugzeugentführung handle. Der äthiopische Minister für Kommunikation, Redwan Hussein, sagte, das Flugzeug habe einen Notruf gesendet, als es über Sudans Luftraum geflogen sei. Vom Sudan bis in die Schweiz habe der Kopilot die Kontrolle gehabt. Er fügte hinzu, der Pilot sei Italiener.
«Keine guten Chancen»
Das Flugzeug befand sich um 5 Uhr über dem Mont-Blanc und drehte in der Region Genf darauf mehrere Runden. In Genf war zunächst nicht klar, ob das Flugzeug technische Probleme hatte, oder ob es sich tatsächlich um eine Entführung handelte.
Um 6.10 Uhr gab der Flugzeugentführer an, der einzige Luftpirat an Bord zu sein. Er habe sein Tat vorbereitet und verlange politisches Asyl. «Dieser Mann hat keine guten Chancen», sagte dazu der Genfer Staatsrat Pierre Maudet (FDP) bei der Medienkonferenz.
Der Staatsanwalt von Genf, Olivier Jornot, sagte, dem Kopiloten werde Geiselnahme vorgeworfen. Bei Verurteilung drohe dem Mann eine Haft von bis zu 20 Jahren. Die Chancen des Mannes, Asyl zu bekommen, seien gering. «Eigentlich gibt es keine Verbindung zwischen Asyl und der Tatsache, dass er ein Verbrechen beging, um hierher zu kommen», sagte Jornot.
Die Ethiopian Airlines gehören der Regierung des Landes. Dem Staat wird vorgeworfen, Rechte nicht zu achten und intolerant gegenüber abweichenden politischen Meinungen zu sein. Der Organisation Human Rights Watch zufolge verschlechterte sich die Menschenrechtslage in den vergangenen Jahren. Die Behörden beschnitten grundlegende Rechte wie die Meinungs-, Versammlungs- und Organisationsfreiheit. Der Regierung wird vorgeworfen, Journalisten, Oppositionsmitglieder und die muslimische Minderheit des Landes zu unterdrücken.
Flugverkehr über zwei Stunden gestört
Der Äthiopier wurde von der Polizei festgenommen und der Kriminalpolizei übergeben. Er werde am Nachmittag befragt, sagte Jornot. Danach müsse ein Gericht entscheiden, ob der Entführer in Untersuchungshaft gesetzt werde.
Die Flugzeugentführung legte den Flugverkehr in Genf zum Wochenstart lahm. Wegen des aussergewöhnlichen Ereignisses durften zunächst keine anderen Flugzeuge starten oder landen. Ungefähr 15 Flüge mussten umgeleitet werden. Zahlreiche Flüge wurden annulliert.
Nachdem sich der Entführer festnehmen liess und die Passagiere in Sicherheit waren, wurde der Flugverkehr nach und nach wieder aufgenommen. Zum ersten Abflug kam es um 8.20 Uhr, das erste Flugzeuge setzte um 8.45 Uhr in Genf auf.
Blutige Entführung in Genf 1987
Am Flughafen Genf landete bereits vor knapp 27 Jahren, am 24. Juli 1987, ein entführtes Flugzeug. Die damalige Entführung endete blutig. Es handelte sich um eine DC-10 der Air Afrique, die vom libanesischen Luftpiraten Hariri entführt worden war.
Das Flugzeug befand sich auf dem Weg von Brazzaville (Kongo) nach Paris. Der Luftpirat brachte das Flugzeug nach einer Zwischenlandung in Rom in seine Gewalt und forderte, Beirut anzufliegen.
Wegen Treibstoffmangels landete die Maschine in Genf. Dort tötete Hariri einen französischen Passagier, weil ein Ultimatum ohne Resultat verstrichen war. Ein Besatzungsmitglied wurde schwer verletzt. Der Luftpirat konnte schliesslich überwältigt werden.
Äthiopische Entführer
Es gab schon einige Entführungen durch Äthiopier, die den Unruhen im Land entkommen wollten. So schmuggelte beispielsweise 1993 ein Mann eine Pistole an Bord und entführte einen Lufthansa-Flug von Frankfurt nach Addis Abeba. Er forderte einen Flug in die USA, wo ihm ein Visum verweigert worden war.
Der Führer der oppositionellen äthiopischen Blauen Partei, Yilikal Getnet, sagte, er gehe davon aus, dass der Luftpirat mit der Entführung ein politisches Statement über die Situation im Lande habe geben wollen. Er habe zeigen wollen, dass die Regierung nicht in Übereinstimmung mit dem Volk handelt.
(kko/vro/cho/sda)